Rz. 315

Es war in den vergangenen Jahren oft strittig, ob bei einer Einigung über das Sorgerecht eine Einigungsgebühr entstehen kann, wobei die h.M. den Anfall einer Einigungsgebühr bejaht hat.[226]

Auch die Tatsache, dass der Gesetzgeber 2004 in § 48 Abs. 3 RVG die Erstreckung der Beiordnung auf eine Einigung im Sinne der Nr. 1000 VV über Sorge- und Umgangsrecht aufgenommen hatte, sprach dafür, dem Rechtsanwalt bei einer entsprechenden Einigung die Einigungsgebühr zuzubilligen.

 

Rz. 316

Mit der FGG-Reform wurde Abs. 5 der Anmerkung zu Nr. 1000 VV RVG klarstellend wie folgt gefasst:[227]

Zitat

"Die Gebühr entsteht nicht in Ehesachen und in Lebenspartnerschaftssachen (§ 269 Abs. 1 Nr. 1 und 2 FamFG). Wird ein Vertrag, insbesondere über den Unterhalt, im Hinblick auf die in Satz 1 genannten Verfahren geschlossen, bleibt der Wert dieser Verfahren bei der Berechnung der Gebühr außer Betracht. In Kindschaftssachen ist Absatz 1 Satz 1 und 2 auch für die Mitwirkung an einer Vereinbarung, über deren Gegenstand nicht vertraglich verfügt werden kann, entsprechend anzuwenden."

 

Rz. 317

Der Gesetzgeber begründet die Anfügung des Satz 2 in Absatz 5 der Anmerkung zu Nr. 1000 VV RVG wie folgt:

Zitat

"Mit dem neuen Absatz 5 Satz 2 soll nunmehr im Gesetz ausdrücklich zum Ausdruck gebracht werden, dass die Einigungsgebühr in Kindschaftssachen auch dann entstehen kann, wenn die Beteiligten nicht vertraglich über den Gegenstand der Einigung verfügen können. Dies unterstreicht die besondere Bedeutung der Streit vermeidenden Einigung gerade in Kindschaftssachen und entspricht der derzeitigen Rechtsprechung."

 

Rz. 318

In der neueren Rechtsprechung wird der Anfall einer Einigungsgebühr in Sorgerechtsverfahren auch entsprechend überwiegend bejaht.[228]

Die Festsetzung einer Einigungsgebühr kommt nach Ansicht des OLG Düsseldorf in Verfahren nach § 1666 BGB jedoch nicht in Betracht[229] Bei § 1666 BGB handelt es sich um gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls, wie z.B.

Gebote, öffentliche Hilfen, wie z.B. Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen,
Gebote für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen,
Verbote, vorrübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält,
Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen,
die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge oder
die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge, § 1666 Abs. 3 Nr. 1 bis 6 BGB.
 

Rz. 319

Auch das OLG Düsseldorf weist in seiner Entscheidung ausdrücklich darauf hin, dass in Sorgerechtsverfahren nach §§ 1671, 1672[230] BGB eine Einigungsgebühr sehr wohl entstehen kann. Die Einigungsgebühr in Kinderschutzverfahren nach § 1666 BGB wird vom OLG Düsseldorf verneint, weil in derartigen Verfahren der Staat sein Wächteramt über das Kindeswohl nach Art. 6 Abs. 2 S. 3 GG wahrnimmt, das den Jugendämtern und Familiengerichten übertragen ist und in derartigen Verfahren weder das Familiengericht noch das Jugendamt Vergleichsabschlüsse tätigen können. Weiter weist das OLG Düsseldorf darauf hin, dass in Verfahren nach § 1666 BGB von Amts wegen und ohne Bindung an etwa getroffene Absprachen der Eltern das Verfahren wieder aufzunehmen und ein neues Verfahren einzuleiten ist, wenn sich neue Anhaltspunkte ergeben, dass das Kindeswohl weiterhin gefährdet ist. Nach Ansicht des OLG Düsseldorf ist daher in derartigen Sorgerechtsverfahren zu unterscheiden.

 

Rz. 320

Nach Ansicht des OLG München[231] entsteht eine Einigungsgebühr in einer Kindschaftssache zwar auch dann, wenn die getroffene Vereinbarung einen Gegenstand betrifft, über den nicht vertraglich verfügt werden kann; es muss jedoch bei einer Einzelfallentscheidung verbleiben, wobei die Einigungsgebühr auch dann in Betracht kommt, wenn ein Streit wenigstens für eine gewisse Zeit beseitigt wird.[232] Dabei moniert das OLG München, dass die gesetzlichen Vorgaben für die Entstehung einer Einigungsgebühr zum Teil unklar bzw. unvollständig sind.[233] Um welche Art von Kindschaftssache es sich handelt, spielt nach Ansicht des OLG München keine Rolle.

 

Rz. 321

Gerade das Kriterium "soweit eine gerichtliche Entscheidung entbehrlich wird",[234] ist, so das OLG München, für den UdG nicht einfach einzuschätzen.[235] Auch moniert das OLG München, dass gerade im Bereich des Umgangsrechts bei heranwachsenden Kindern die Umstände sich rasch ändern können und nicht klar ist, ob bei einer Teil- oder Zwischeneinigung für einen bestimmten Zeitraum eine Einigungsgebühr entstehen kann. Das OLG München spricht sich dafür aus, dass auch dann, wenn ein "Streit wenigstens für eine gewisse Zeit beseitigt wird“ die Einigungsgebühr entstehen kann.[236]"

 

Rz. 322

So hält das OLG München denn auch fest:[237]

Zitat

"Eine zu kleinliche Sichtweise ist hier nic...

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