I. Vertretung durch das Jugendamt

 

Rz. 69

Die Vertretungsmacht des Jugendamts erstreckt sich nicht auf Ansprüche der nichtehelichen Mutter aus § 1615l BGB.

Der Hinweis des ausdrücklich als Beistand eines Kindes tätigen Jugendamts an den hinsichtlich des Kindesunterhaltes auf Auskunft in Anspruch genommenen Vater am Ende des Aufforderungsschreibens, auch die Kindesmutter wolle nach § 1615l BGB Betreuungsunterhalt geltend machen und das Jugendamt werde daher die Höhe dieses Anspruches ebenfalls errechnen und mitteilen, schafft nicht die Voraussetzungen nach § 1613 Abs. 1 BGB für eine Geltendmachung des Betreuungsunterhaltes für die Vergangenheit.[96]

II. Unterhalt für die Vergangenheit

 

Rz. 70

Für die Vergangenheit kann Unterhalt und Sonderbedarf nach Feststellung der Vaterschaft gem. §§ 1615l Abs. 3 S. 4, 1613 Abs. 2 Nr. 2a BGB gefordert werden. Verzug ist insoweit nicht erforderlich, als die Voraussetzung des § 1613 Abs. 2 Nr. 2a BGB dadurch erfüllt ist, dass die Vaterschaft weder anerkannt noch rechtskräftig festgestellt war.

Nach Feststellung der Vaterschaft ist eine Inverzugsetzung nach § 1613 Abs. 1 BGB erforderlich, um später weitere Unterhaltsrückstände geltend machen zu können.

 

Rz. 71

Nach Auffassung des BGH[97] enthält § 1615l Abs. 3 S. 1 BGB nämlich eine Rechtsgrundverweisung auf § 1613 BGB, weshalb für die Geltendmachung von Unterhalt für die Vergangenheit grundsätzlich die Voraussetzungen des § 1613 Abs. 1 S. 1 BGB vorliegen müssen, also eine Aufforderung zur Auskunft, eine Inverzugsetzung oder aber die Rechtshängigkeit des Unterhaltsanspruchs.

[97] BGH FamRZ 2013, 1958.

III. Auskunftsanspruch

 

Rz. 72

Der Auskunftsanspruch gem. § 1605 Abs. 1 BGB ist nach § 1615l Abs. 3 S. 1 BGB gegeben. Zu berücksichtigen ist aber, dass sich die Höhe des Unterhaltsanspruchs des betreuenden Elternteils ausschließlich nach dessen Lebensstellung richtet. Mitunter ist daher eine Auskunft nicht unterhaltsrelevant, so dass auch kein Anspruch besteht. Anders liegt es freilich, wenn die Mutter ihren Bedarf dargelegt hat und der Vater gegen den Anspruch ganz oder teilweise Leistungsunfähigkeit einwendet.

 

Rz. 73

 

Praxistipp

In der Praxis sind Probleme nicht zu erwarten, da wegen des gleichzeitig zu beanspruchenden Kindesunterhalts ein Auskunftsanspruch besteht. Der Kindesunterhalt ist nämlich in jedem Fall von der Höhe des Einkommens des unterhaltspflichtigen Elternteils abhängig.

IV. Verfahrenskostenvorschuss

 

Rz. 74

Umstritten ist der VKV-Anspruch des nicht verheirateten Elternteils.[98] § 1615l Abs. 3 Satz 1 BGB verweist zum einen auf die §§ 1601 ff. BGB.[99] Zum anderen spricht auch die vom BGH im Grundsatz angewandte Gleichbehandlung mit kinderbetreuenden Ehegatten dafür.[100] Insoweit sollte ein Anspruch der nicht verheirateten Mutter auf einen Verfahrenskostenvorschuss zwecks Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen nach § 1615l BGB zu rechtfertigen sein.[101]

[98] Vgl. dazu Roßmann, FuR 2012, 168, 169.
[99] Bejahend OLG München FamRZ 2002, 1219 = OLGR 2002, 67; ähnlich offenbar auch Caspary, NJW 2005, 2577, 2578.
[101] A.A. SBW/Schwonberg, FamFG, § 246 Rn 27.

V. Befristung des Anspruchs auf die ersten drei Lebensjahre des Kindes

 

Rz. 75

Die anwaltliche Vertretung des Unterhaltsschuldners wird im Verfahren darauf hinwirken, dass der Unterhalt auf drei Jahre befristet wird. Dies durchzusetzen ist allerdings problematisch.

Argumentieren lässt sich aber damit, dass der Wortlaut des § 1615l Abs. 2 S. 3 BGB nicht den Schluss zu lässt, dass die Fortdauer des Anspruchs nach drei Jahren die Regel ist. Die Billigkeitsklausel des § 1615l Abs. 2 S. 4 BGB macht vielmehr das Gegenteil deutlich.

 

Rz. 76

Ist der Unterhaltsanspruch derart in einem Unterhaltsbeschluss befristet worden, so muss nach Ablauf von drei Jahren vom Unterhaltsgläubiger ein Abänderungsantrag nach § 238 FamFG erhoben werden, wenn eine Verlängerung des Anspruchs gewollt ist.

Fehlt es an der Befristung, so muss umgekehrt der Unterhaltsschuldner nach drei Jahren den entsprechenden Abänderungsantrag stellen, um den Titel zu beseitigen.

 

Rz. 77

Verstärkt wird hingegen die Auffassung vertreten, dass der Unterhaltstitel aufgrund eines Anspruchs nach § 1615l Abs. 2 Satz 2 BGB nicht auf drei Jahre zu befristen ist; eine Ausnahme wird nur zugestanden, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung feststeht, dass nach Ablauf von drei Jahren die Voraussetzungen für weiteren Billigkeitsunterhalt fehlen.[102]

 

Rz. 78

Der BGH[103] stellt dies wie folgt dar:

Zitat

Der Senat hat bereits mit Urt. v. 18.3.2009 (…) entschieden, dass eine Befristung des Betreuungsunterhaltsanspruchs nach der Systematik des § 1570 BGB nicht geboten ist. Danach steht dem betreuenden Elternteil ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt für mindestens drei Jahre nach der Geburt mit Verlängerungsmöglichkeit aus kind- und elternbezogenen Gründen zu. Der Betreuungsunterhalt während der ersten drei Lebensjahre des Kindes und ein daran anschließender weiterer Betreuungsunterhaltsanspruch bilden somit einen einheitlichen Unterhaltsanspruch. Nur dann, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung für die Zeit nach Vollendung des dritten Lebensjahres absehbar keine kind- und elternbezogenen Verlänger...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge