Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Inverzugsetzung für Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB durch das als Beistand des Kindes tätige Jugendamt/Mutwilligkeit erheblicher Rückstände

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Hinweis des ausdrücklich als Beistand eines Kindes tätigen Jugendamts an den hinsichtlich des Kindesunterhaltes auf Auskunft in Anspruch genommenen Vater am Ende des Aufforderungsschreibens, auch die Kindesmutter wolle nach § 1615l BGB Betreuungsunterhalt geltend machen und das Jugendamt werde daher die Höhe dieses Anspruches ebenfalls errechnen und mitteilen, schafft nicht die Voraussetzungen nach § 1613 Abs. 1 BGB für eine Geltendmachung des Betreuungsunterhaltes für die Vergangenheit.

2. Die Geltendmachung rückständigen Unterhalts ist mutwillig i.S.d. § 114 ZPO, soweit der Antragsteller ohne nachvollziehbaren Grund nicht zeitnah nach einem Auskunfts- oder Zahlungsverlangen einen verfahrenseinleitenden Antrag bei Gericht stellt und aufgrund der Werterhöhung gem. § 51 Abs. 2 FamGKG erhebliche Mehrkosten entstehen (vgl. bereits OLG Celle, Beschl. v. 5.7.2010 - 10 WF 209/10, FamRZ 2011, 50 f. = NJW-RR 2010, 1517 = MDR 2011, 170 f.)

 

Normenkette

BGB §§ 1615l, 1613; ZPO § 114

 

Verfahrensgang

AG Hannover (Beschluss vom 16.03.2011; Aktenzeichen 626 F 1089)

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Der Antragsteller zu 1. (im weiteren: der Antragsteller) ist der minderjährige Sohn des Antragsgegners, die Antragstellerin zu 2. (im weiteren: die Antragstellerin) die mit dem Antragsgegner nicht verheiratete Kindesmutter. Im vorliegenden, am 10.3.2010 eingeleiteten Verfahren soll der Antragsgegner neben Kindesunterhalt auch auf Betreuungsunterhalt für die Zeit ab April 2009 in Anspruch genommen werden.

Das seinerzeit laut Briefkopf als Beistand des Antragstellers tätige Jugendamt hat den Antragsgegner mit einem "Unterhalt für Ihren Sohn ... " betitelten Schreiben vom 23.4.2009 ausdrücklich zum Zwecke der Berechnung des - auch damals dem Grunde nach unstreitigen und bereits laufend in monatlicher Höhe von 220 EUR erbrachten - Kindesunterhaltes zur Auskunftserteilung aufgefordert. Dieses Schreiben enthält gegen Ende folgenden Absatz:

Die - namentlich bezeichnete - Antragstellerin "möchte auch ihren Anspruch auf Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB geltend machen. Wir werden daher die Höhe des Anspruches mit errechnen und Ihnen mitteilen."

Mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 5.9.2009 hat die Antragstellerin vom Antragsgegner bezifferten Betreuungsunterhalt begehrt, den sie unter Berufung auf eine vermeintliche Geltendmachung im Jugendamtsschreiben rückwirkend seit April 2009 beanspruchen will.

Das AG hat mit Beschluss vom 16.3.2011, auf den ergänzend Bezug genommen wird, der Antragstellerin die nachgesuchte Verfahrenkostenhilfe (VKH) hinsichtlich des Betreuungsunterhaltes nur insoweit bewilligt, als Ansprüche für die Zeit vom 1.9.2009 bis zum 15.10.2011 - im Hinblick auf eine zunächst noch nicht vorliegende Rückübertragung unter Absetzung der auf das örtliche JobCenter übergegangenen Teilbeträge - geltend gemacht werden.

Dagegen richtet sich die fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Antragstellerin, die - soweit nicht hinsichtlich einer geringen rechnerischen Differenz durch die Teilabhilfeentscheidung des AG vom 29.4.2011 erledigt - eine Erstreckung der VKH-Bewilligung auch auf weitere Rückstände für die Zeit ab April 2009 sowie auf die Zeit nach Vollendung des dritten Lebensjahres des Antragstellers erstrebt. Das AG hat insofern der Beschwerde nicht abgeholfen.

Die Antragstellerin hat sodann noch insofern um VKH nachgesucht, als sie weitere 10.006,22 EUR als in der Zeit von November 2009 bis März 2011 auf das Jobcenter übergegangene und bislang nicht in ihrer Berechnung enthaltene Teilbeträge geltend machen will; darüber hat das AG noch nicht befunden.

Der Einzelrichter hat die Sache dem Senat zur Entscheidung übertragen.

II. Die Beschwerde dürfte bereits teilweise unzulässig sein und ist jedenfalls insgesamt unbegründet.

1. Die Beschwerde kann hinsichtlich eines über den dritten Geburtstag des Antragstellers hinausgehenden Betreuungsunterhalts der Antragstellerin keinen Erfolg haben.

a. Soweit die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren Betreuungsunterhaltsansprüche für die Zeit nach dem 15.10.2011 geltend macht, ist sie durch die diesbezügliche Versagung von VKH im angefochtenen Beschluss bereits nicht beschwert:

Die VKH-Bewilligung hat den Zweck und die Folge, dass der bedürftige Beteiligte die für das Verfahren anfallenden eigenen (Gerichts- und Anwalts-) Kosten zunächst nicht bzw. nur im Rahmen von Einmal- oder Ratenzahlungen aufzubringen hat; die Höhe dieser Kosten (bzw. ggf. der Umfang seiner Freistellung davon) bestimmt sich nach dem für das Verfahren maßgeblichen Verfahrenswert, für den es wiederum nach der für - wie vorliegend gegenständlich - Unterhaltsansprüche einschlägigen Vorschrift des § 51 FamGKG allein auf die für die ersten zwölf Monate nach Einreichung des Antrages gefordert...

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