Rz. 3

Seitens des Anwalts ist vor der Annahme eines Mandats eine Kollisionsprüfung vorzunehmen. Auch wenn die Vorschrift des § 43a Abs. 4 BRAO dies nicht ausdrücklich vorsieht,[1] setzt eine Interessenkollision Sachverhaltsidentität voraus, d.h. das Vorliegen eines innerlich zusammengehörenden, einheitlichen Lebensverhältnisses.[2] Sind die zugrundeliegenden historischen Vorgänge zumindest teilweise identisch, ist diese Voraussetzung gegeben.[3] Bei der Annahme des Mandats hat sich der Rechtsanwalt zu fragen, ob er entweder gegenläufige Interessen eines früheren Mandanten verletzt oder aber zu befürchten ist, dass die Verschwiegenheitspflicht im Hinblick auf ein früheres Mandat verletzt wird. Eine Interessenkollision liegt nach den Vorschriften von Art. 3.2.3 der CCBE auch dann vor, wenn der neue Mandant einen ungerechtfertigten Sondervorteil aufgrund des früheren Mandats erlangen könnte.[4]

 

Rz. 4

Kommt der Rechtsanwalt zu dem Ergebnis, dass eine Interessenkollision zu bejahen ist, ist ihm jegliche beratende bzw. vertretende Tätigkeit verboten. Ein derartiges Mandat darf nicht angenommen werden. Wurde es bereits angenommen, ist es sofort niederzulegen.

Bei einer Sozietät sind alle kollidierenden Mandate niederzulegen.

Die von der BRAO und der BORA vorgesehenen Tätigkeitsverbote erstrecken sich sowohl auf Mitglieder der Anwaltssozietät als auch auf sonstige Personen, die gemeinschaftlich mit dem betroffenen Anwalt ihre Tätigkeit ausüben. Hierzu zählen auch freie Mitarbeiter, angestellte Rechtsanwälte und auch solche Rechtsanwälte, die im Rahmen einer bloßen Bürogemeinschaft tätig sind.[5] Ein Wahlrecht, eines der Mandate ggf. fortzuführen, besteht nicht. Der Rechtsanwalt kann sich insbesondere nicht darauf berufen, er habe das zuerst angenommene Mandat in zulässiger Weise geführt und durch die Annahme des zweiten Mandats sei erst die Interessenkollision eingetreten.[6] Darüber hinaus liegt in der unverzüglichen Mandatsbeendigung kein Verstoß gegen das Verbot der Kündigung zur Unzeit, welches in § 627 Abs. 2 S. 1 BGB geregelt ist.

Erfolgt keine Niederlegung bzw. wird ein Anwaltsvertrag trotz Verstoßes gegen §§ 43a Abs. 4, 45 BRAO abgeschlossen, ist dieser nichtig und es droht der Verlust aller Gebührenansprüche. Etwaige, bereits gezahlte Vorschüsse sind zurückzuerstatten. Darüber hinaus muss der Rechtsanwalt im Falle des Vorsatzes auch mit strafrechtlichen Konsequenzen wegen Parteiverrats (§ 356 StGB) rechnen. Auch wenn der Mandant ausdrücklich einverstanden ist, ändert dies weder etwas an der Rechtswidrigkeit des Parteiverrates noch an der Verwirklichung der standesrechtlichen Vorschriften.[7] Es ist unerheblich, ob dem Mandanten ein konkreter Schaden entstanden ist.[8] Nach der Rechtsprechung soll allerdings ein Verstoß gegen das Verbot, widerstreitende Interessen zu vertreten, keine verfahrensrechtlichen Konsequenzen haben.[9] Sowohl die Prozessvollmacht als auch Rechtshandlungen des Rechtsanwalts bleiben wirksam.

 

Rz. 5

Für den Fall, dass der Anwalt auch gleichzeitig Notar ist, ergeben sich weitere Vorschriften, die die Pflichten des Anwaltsnotars regeln. Gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 BNotO ist er zur Unparteilichkeit verpflichtet. In diesem Zusammenhang ist auch die Vorschrift des § 3 Abs. 1 Ziff. 7, Abs. 2 BeurkG zu erwähnen. Hier wird dem Notar dringend nahegelegt, nicht an Beurkundungen mitzuwirken, wenn er mit der Angelegenheit im Vorfeld befasst war, d.h. für einen der Beteiligten bereits tätig war oder ist. Hierbei ist es unerheblich, ob es sich bei der Tätigkeit um eine beratende oder eine notarielle gehandelt hat.[10]

[1] Henssler/Prütting/Henssler, § 43a Rn 199.
[2] Scherer/Schneider, § 2 Rn 1.
[3] Scherer/Schneider, § 2 Rn 1.
[4] Scherer/Schneider, § 2 Rn 2.
[5] Scherer/Schneider, § 2 Rn 3.
[6] Deckenbrock, AnwBl 2010, 221, 222 f.
[7] Scherer/Schneider, § 2 Rn 3 m.w.N.
[8] BGH NJW 1981, 1211.
[9] BGH NJW 1993, 1926; OLG Hamm AnwBl 1989, 397.
[10] Scherer/Schneider, § 2 Rn 6.

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