Rz. 93

Dass dem Selbstständigen ein Geschäft konkret entgangen und auch nicht mehr nachholbar ist, ist in der Praxis nur selten beweisbar.[59] An den Nachweis der Wahrscheinlichkeit eines Geschäftsabschlusses werden, da die Gefahr von Manipulationen (Gefälligkeitsbescheinigungen) sehr hoch ist,[60] zu recht hohe Anforderungen gestellt. Fallbeispiele wird man bei Architekten[61] und Maklern, u.U. auch bei Autohändlern,[62] finden können. Gerade bezogen auf Makler herrscht die Meinung vor, dass letztlich jeder andere Makler auch den Auftrag hätte hereinholen können.

 

Rz. 94

Die Ausgangs- bzw. Anknüpfungstatsachen für die Schadensschätzung muss der Selbstständige darlegen und beweisen,[63] bei Fehlen ausreichender Grundlagen für eine Schadensschätzung ist die Klage abzuweisen.[64] Wird der Schaden auf der Grundlage konkret entgangener Einzelgeschäfte berechnet,[65] ist § 252 BGB nicht anwendbar; vielmehr muss der Verletzte nachweisen, welche Geschäfte ihm entgangen sind: Konkrete Berechnung und abstrakte Schätzung schließen sich gegenseitig aus und dürfen nicht miteinander vermengt werden.[66]

 

Rz. 95

Auch ist darzutun, ob der zunächst entgangene Auftrag nicht später nachgeholt wurde[67] oder stattdessen nunmehr freie Kapazitäten für anderweitige Arbeiten genutzt werden konnten; auch hierzu ist der Geschädigte darlegungsbelastet.

 

Rz. 96

Ferner ist aufzuklären, ob der unfallbedingte Ausfall nicht teilweise dadurch kompensiert worden ist, dass nach der Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit freie Kapazitäten vorhanden waren, die ohne Unfall durch die ausgefallenen Geschäfte gebunden gewesen wären. Insoweit kommt dann eine Vorteilsausgleichung in Betracht. Hierzu hat der Geschädigte vorzutragen (siehe auch Rn 134).

 

Rz. 97

Gerade bei Ärzten bedeutet ein Patientenschwund nicht mehr zwingend auch Umsatz- und Gewinneinbußen. Die jüngsten Gesundheitsstrukturreformen führten auch dazu, dass Ärzte bei Überschreiten bestimmter vorgegebener Grenzen keine Bezahlung oder sogar Abschläge für ihre ärztliche Betreuung erhielten.

 

Rz. 98

Für den deliktischen Anspruch gilt die Beweiserleichterung in § 252 S. 2 BGB. Ist der Geschädigte Kaufmann, entspricht es dem gewöhnlichen Lauf der Dinge, dass marktgängige Waren jederzeit zum Marktpreis abgesetzt werden können.[68] Diese Vermutung kann der Schädiger durch den Beweis entkräften, dass der Gewinn im tatsächlichen Verlauf doch nicht gemacht worden wäre.[69]

 

Rz. 99

Bei der Schadenberechnung sind diejenigen Kosten gegenzurechnen, die die Durchführung des entgangenen Geschäftes verursacht hätte.[70]

[59] OLG Frankfurt v. 16.12.1992 – 13 U 223/89 – VersR 1994, 610 (BGH hat die Revision nicht angenommen, Beschl. v. 5.10.1993 – VI ZR 18/93 –). Küppersbusch/Höher, Rn 140 f.
[60] Siehe BGH v. 19.9.1995 – VI ZR 226/94 – NJWE-VHR 1996, 7 = VersR 1996, 380 (Angeblicher hoher Schaden wegen unfallbedingt nicht möglicher Erfüllung eines Beratervertrages); OLG Celle v. 16.12.2009 – 14 U 113/09 – VersR 2010, 824 (n. rkr., Revision VI ZR 13/10) (Macht der als selbstständiger Unternehmensberater tätige Geschädigte im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs wegen einer unfallbedingten I-gradige HWS-Distorsion entgangenen Gewinn aus einem behaupteten Geschäft geltend, sind an den Nachweis der Wahrscheinlichkeit des konkret behaupten Gewinnentgangs strenge Anforderungen zu stellen, um der Gefahr vorzubeugen, dass lediglich zum Zweck der Konstruktion von Schadensersatzansprüchen Verträge vorgeschoben werden. Der Geschädigte hat nähere Einzelheiten zu dem angeblich in Aussicht genommenen Geschäft vorzutragen und gegebenenfalls den Namen des Geschäftspartners anzugeben [konkret: überwiegend Beweiswürdigung bezüglich der unfallbedingten Vereitelung der Ausführung eines konkreten Auftrags für eine unbekannte Drittfirma im Rahmen eines Projektauftrags].). Das OLG hat die Klage abgewiesen.). Schneider/Stahl, S. 268.
[61] OLG Köln v. 11.6.1970 – 14 U 183/68 – MDR 1971, 215 (Kurzfristige Arbeitsunfähigkeit eines Architekten).
[62] OLG Hamm v. 23.11.1999 – 27 U 93/99 – DAR 2000, 218 (nur Ls.) = NJW-RR 2001, 456 = NZA-RR 2000, 298 = NZV 2000, 369 (Keine Ersatzpflicht, wenn der Autohändler dem Kunden unmittelbar nach dem Unfall ein entsprechendes Fahrzeug bestellen konnte); KG v. 29.11.1971 – 12 U 1168/71 – DAR 1972, 43 = NJW 1972, 496 = VersR 1972, 201 = VRS 42, 82; AG Schwelm v. 25.3.1999 – 211 C 9/98 – SP 1999, 204 (Entgangener Gewinn wegen behaupteten Verkaufs eines Fahrzeuges vor dem Unfall).
[63] BGH v. 3.3.1998 – VI ZR 385/96 – DAR 1998, 231 = DB 1998, 1561 = EWiR 1998, 393 (Anm. Grunsky) = MDR 1998, 595 = NJW 1998, 1634 = NZV 1998, 279 = r+s 1998, 196 = SP 1998, 241 = VersR 1998, 772 = VRS 95, 1 = zfs 1998, 210; BGH v. 6.7.1993 – VI ZR 228/92 – DAR 1993, 429 = NJW 1993, 2673 = NZV 1993, 428 = r+s 1993, 378 = VersR 1993, 1284 = zfs 1993, 335; BGH v. 15.3.1988 – VI ZR 81/87 – DAR 1988, 268 = LM Nr. 38 zu § 252 BGB = MDR 1988, 849 = NJW 1988, 3016 = NZV 1988, 134 = VersR 1988, 837 = VRS 75, 161 = zfs 1988, 310.
[64] LG Saarbrüc...

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