Rz. 353

 

§ 7 EFZG – Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitgebers

(1) Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Fortzahlung des Arbeitsentgelts zu verweigern,

1. solange der Arbeitnehmer die von ihm nach § 5 Abs. 1 vorzulegende ärztliche Bescheinigung nicht vorlegt oder den ihm nach § 5 Abs. 2 obliegenden Verpflichtungen nicht nachkommt;
2. wenn der Arbeitnehmer den Übergang eines Schadensersatzanspruchs gegen einen Dritten auf den Arbeitgeber (§ 6) verhindert.

(2) Abs. 1 gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer die Verletzung dieser ihm obliegenden Verpflichtungen nicht zu vertreten hat.

 

Rz. 354

Erfolgt der Forderungsübergang nicht im Unfallzeitpunkt, sondern später (z.B. Abtretung; § 6 EFZG [früher: § 4 LFZG];[314] ferner § 86 VVG [§ 67 VVG a.F.], § 90 BSHG [für Unfälle vor dem 1.7.1983][315]), kann der Geschädigte vorher wirksam über seine gesamten Ansprüche zu Lasten des künftigen Zessionars verfügen (z.B. durch ganz oder teilweise Abfindung, Verpfändung, Verjährenlassen, Haftungsvereinbarung).[316]

 

Rz. 355

Wird der Schadenersatzanspruch des Arbeitnehmers von einem anderweitigen Gläubiger gepfändet, besteht kein Leistungsverweigerungsrecht.[317] Gleiches muss im Fall der Aufrechnung des Schadenersatzschuldners mit eigenen Forderungen gelten.

 

Rz. 356

Eine vom Verletzten unterzeichnete vorbehaltlose[318] Abfindungserklärung hindert einen erneuten Forderungsübergang nach § 6 EFZG (Unfall vor 1.6.1994: § 4 LFZG) auf den Arbeitgeber (dazu siehe Rn 386, § 16 Rn 39 ff.) (ebenso auf einen privaten Kranken-/Pflegeversicherer[319]). Dieses kann dann zu Rechtsverlusten des Geschädigten gegenüber seinem Arbeitgeber führen (§ 7 I Nr. 2 EFZG, Unfall vor 1.6.1994: § 5 LFZG;[320] siehe auch die insofern vergleichbaren VVG-Normen § 67 I 3 VVG a.F.[321] und § 86 II VVG). Nach § 7 I Nr. 2 EFZG kann der Arbeitgeber die Fortzahlung des Arbeitsentgeltes verweigern, wenn und soweit der Arbeitnehmer den Forderungsübergang nach § 6 I EFZG vorwerfbar[322] (§ 276 BGB) verhindert, z.B. durch Verzicht, Abtretung oder Abschluss eines Vergleichs.[323] Fehleinschätzungen des Rechtsvertreters sind dem Arbeitnehmer zuzurechnen (§ 278 BGB).[324]

 

Rz. 357

Es lebt dann allerdings der Krankengeld- oder Verletztenanspruch wieder auf (siehe Rn 243 ff.).[325] Hat der Arbeitgeber unzutreffend die Entgeltfortzahlung verweigert, kann der SVT neben dem Schadenersatzpflichtigen (§ 116 SGB X)[326] wahlweise nach § 115 SGB X auch den Arbeitgeber wegen der Aufwendungen in Regress nehmen.[327] Der Arbeitgeber der Krankenkasse/UVT die erbrachten Leistungen erstatten (§§ 407 I, 412, 816 II BGB; § 116 VII SGB X).[328]

 

Rz. 358

Hat der Ersatzpflichtige künftigen Verdienstausfall (das gilt nicht nur für Zahlungen im Rahmen einer Kapitalisierung) mit befreiender Wirkung an den Geschädigten geleistet, kann der Arbeitgeber bei späterer unfallkausaler Arbeitsunfähigkeit und Lohnfortzahlung den Schadenersatzpflichtigen nicht nach § 6 EFZG in Regress nehmen.

 

Rz. 359

Hervorzuheben ist, dass bei einer Mithaftung nur eine Teilvereitelung in Betracht kommt und der Arbeitgeber somit nur z.T. die Fortzahlung verweigern darf. Hat der Arbeitnehmer nur über einen Teil verfügt (z.B. bei Mithaftung), ist auch die Leistungsfreiheit des Arbeitgebers auf diesen Teil beschränkt.[329]

 

Rz. 360

Macht der unfallverletzte Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber unzutreffende Angaben zum Unfallgeschehen, so dass der Arbeitgeber an der Durchsetzung von Regressansprüchen gehindert ist, kann der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung verweigern (oder eine bereits gezahlte Fortzahlung zurückfordern).[330]

 

Rz. 361

Soweit der Geschädigte daraufhin Vermögenseinbußen (Mindereinkommen, Fortfall privatärztlicher Versorgung) erleidet, ist ein Schadenersatzanspruch gegenüber seinem Rechtsberater wegen Verletzung der Beratungspflichten (positive Vertragsverletzung des Mandatsvertrages) denkbar.[331]

[315] Siehe zu § 90 BSHG a.F.: BGH v. 13.7.2004 – VI ZR 273/03 – FamRZ 2004, 1569 = MDR 2005, 34 = NJW 2004, 3176 = NZV 2004, 625 (nur Ls.) = SP 2004, 370 = VersR 2004, 126 (Der SHT kann den auf Ersatz des Unterhaltsaufwandes für ein Kind gerichteten Schadensersatzanspruch der Mutter gegen den Arzt [vgl. BGHZ 86, 240 ff.] auch auf sich überleiten, wenn die Mutter nicht wirtschaftlich leistungsfähig ist), BGH v. 13.2.1996 – VI ZR 318/94 – BGHZ 132, 39 = DAR 1996, 357 = JR 1996, 505 (Anm. Fuchs) = LM BGB § 844 Abs. 2, Nr. 93 = MDR 1996, 799 = NJW 1996, 1674 = NVwZ 1996, 824 = NZV 1996, 229 = r+s 1996, 311 = SGb 1996, 328 = SP 1996, 168 = VersR 1996, 649 = VRS 91, 267; OLG Hamm v. 17.12.2004 – 9 U 30/03 – VersR 2006, 378 (Unterhaltsansprüche gehen allein nach § 91 BSHG über).
[316] Burmann/Heß/Jahnke/Janker-Jahnke, 23. Aufl. 2014, § 86 VVG Rn 48, 53, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht-Dörner/Reinhard, 13. Aufl. 2013, § 6 EFZG Rn 16.
[317] Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht-Dörner/Reinhard, § 6 EFZG Rn 16.
[318] Nur ein Vorbehalt für Erwerbschäden wäre von Belang.
[319] KG ...

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