Rz. 20

Vollkommen neu ist § 1820 Abs. 4 BGB, der bei einem bestehenden, aber noch nicht bestätigten Missbrauchsverdacht vorübergehend und kurzfristig eine wirksame Vollmacht suspendieren kann, ohne sie sogleich widerrufen zu müssen.[49] Ein Widerruf führt schließlich zur endgültigen Unwirksamkeit, da ein Widerruf nicht rückgängig gemacht werden kann. Es kommt nur die Neuerteilung einer Vollmacht in Betracht. Hierzu muss der Vollmachtgeber geschäftsfähig sein. Nach § 1820 Abs. 4 S. 1 BGB kann das Betreuungsgericht anordnen, dass der Bevollmächtigte die ihm erteilte Vollmacht nicht ausüben darf und die Vollmachtsurkunde an den Betreuer herauszugeben hat, wenn

die dringende Gefahr besteht, dass der Bevollmächtigte nicht den Wünschen des Vollmachtgebers entsprechend handelt und dadurch die Person des Vollmachtgebers oder dessen Vermögen erheblich gefährdet (§ 1820 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 BGB) oder
der Bevollmächtigte den Betreuer bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben behindert (§ 1820 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 BGB).

Gerichtliche Anordnungen zur Herausgabe der Vollmachtsurkunde an den Betreuer werden durch Beschluss getroffen (§ 285 Abs. 2 FamFG). Damit sind sie vollstreckbar (§ 86 Abs. 1 Nr. 1 FamFG). Liegen aber die Voraussetzungen nicht mehr vor, hat das Betreuungsgericht die Anordnung aufzuheben und den Betreuer zu verpflichten, dem Bevollmächtigten die Vollmachtsurkunde herauszugeben (§ 1820 Abs. 4 S. 2 BGB).

 

Rz. 21

Müller-Engels weist zu Recht darauf hin, dass nach dem Gesetzeswortlaut zweifelhaft ist, ob die gerichtliche Anordnung, dass der Bevollmächtigte "die ihm erteilte Vollmacht nicht ausüben darf", nur das Dürfen des Bevollmächtigten (Innenverhältnis) oder auch sein rechtliches Können (Außenverhältnis) betrifft.[50] Das Wortlautargument würde für die Beschränkung nur auf das Dürfen sprechen; die Gesetzesbegründung "Wirksamkeit vorläufig auszusetzen"[51] könnte indes auch für das Können sprechen. Sie nimmt zumindest an, dass die Anordnung des Gerichts nicht auch einen etwaigen Rechtsscheinstatbestand ausschließt (vgl. § 172 BGB). Andernfalls wäre keine Anordnung der Herausgabe der Vollmachtsurkunde erforderlich.

[49] BT-Drucks 19/24445, 247.
[50] Müller-Engels, FamRZ 2021, 645, 650.
[51] BT-Drucks 19/24445, 247.

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