Rz. 3

Anwendungsbereich:

(1) Ein Gerichtsverfahren (Zivilprozessverfahren: z.B. Ehescheidung, Eheaufhebung, Aufhebung einer Lebenspartnerschaft, Unterhalt, Güterrecht) oder Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit z.B. elterliche Sorge/Aufenthaltsbestimmungsrecht, Umgang, Herausgabe des Kindes, Auskunft gem. § 1686 BGB, Abstammung; Versorgungsausgleich, Adoption, Gewaltschutz, Wohnungszuweisungssachen, Zuweisung der Haushaltsgegenstände, güterrechtliche Genehmigungsverfahren usw.) ist rechtshängig; als Hauptsacheverfahren, als Eilverfahren oder als selbstständiges Beweissicherungsverfahren.
(2) Ein Verfahren gem. §§ 113 Abs. 1, 76 Abs. 1 FamFG, §§ 114 ff. ZPO auf Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe wird durchgeführt.
(3) Das gerichtliche Mahnverfahren wird durchgeführt.
(4) Das vereinfachte Unterhaltsverfahren wird durchgeführt.
(5) Ein Verfahren gem. Ziffern 1 bis 4 wird in Auftrag gegeben, die Tätigkeit wird aufgenommen, das Mandat endet aber vorzeitig.
(6) Zwischen den Parteien ist ein gerichtliches Verfahren im Gange. Sie lassen eine Vereinbarung in diesem Verfahren protokollieren über einen Anspruch, der nicht Gegenstand dieses Gerichtsverfahrens ist.
(7) Zwischen den Parteien ist ein gerichtliches Verfahren im Gange. Vor Gericht soll durch mündliche Besprechung versucht werden, eine Einigung über einen Anspruch, der nicht Gegenstand dieses Gerichtsverfahrens ist, herbeizuführen.
(8) Die Zwangsvollstreckung/Vollstreckung wird betrieben.

a) Die Verfahrensgebühr, Nr. 3100, Vorb. 3 Abs. 2 VV RVG

 

Rz. 4

Die Verfahrensgebühr fällt gleichermaßen für Ehesachen, Familienstreitsachen und alle FG-Sachen an. Sie ist Entgelt für das "Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information" (Vorb. 3 Abs. 2 VV RVG) im Erkenntnisverfahren in allen Instanzen und für alle Verfahrensarten (Mahnverfahren, selbstständiges Beweisverfahren, vereinfachtes Unterhaltsverfahren, VKH-Bewilligungsverfahren). Sie deckt den gesamten im Familienrecht vorkommenden Bereich der Tätigkeit "Vorbereitung und Durchführung gerichtlicher Verfahren" ab.

Die Verfahrensgebühr fällt mit Erteilung des Verfahrensauftrags und Ausübung einer ersten Tätigkeit des Anwalts für den Mandanten – i.d.R. die Entgegennahme der Information – an.

Die Verfahrensgebühr gilt alles ab, was nicht von der Termins- und Einigungsgebühr und nicht von der ausnahmsweisen Beweisgebühr Nr. 1010 VV RVG erfasst ist und nicht ein anderweitiges gerichtliches Verfahren darstellt. Abgegolten sind neben der Entgegennahme der Information auch die Fertigung von Schriftsätzen, Aktennotizen, die Aufnahme einer eidesstattlichen Versicherung im Mandat auf Erwirkung einer einstweilige Anordnung oder eines Arrestes; die Anschriftenermittlung,[1] Literaturrecherchen, Besprechungen mit dem Mandanten; die Besprechungen mit dem Gegner sind durch die Verfahrensgebühr dann abgegolten, wenn sie nicht die Terminsgebühr auslösen. Alles was zur Vorbereitung und Durchführung des Gerichtsverfahrens gehört und nicht unter einen anderen Gebührentatbestand fällt, ist Gegenstand der Verfahrensgebühr (§ 19 RVG). Das Besorgen der Heiratsurkunde und die Beschaffung eines Staatsangehörigkeitsnachweises werden durch die Verfahrensgebühr abgegolten; ebenso die Ermittlung die Adresse beim Einwohnermeldeamt.[2] Anders ist es nur, wenn ein eigenes behördliches oder gerichtliches Verfahren zur Erlangung solcher Urkunden erforderlich ist. Ein solches Verfahren wird nicht angenommen, wenn die Behörde auf bloße Anforderung hin das Gewünschte schicken kann (z.B. eine Ausfertigung der Heiratsurkunde) und die Behörde das auch tatsächlich macht.[3]

 

Rz. 5

Die Gebühr fällt im Erkenntnisverfahren 1. Instanz zu 1,3 an und – da sie eine Betriebsgebühr ist – stets aus dem höchsten vorkommenden Wert.

In der 2. Instanz fällt sie mit einem Gebührensatz von 1,6 an (Nr. 3200 VV RVG).

[1] Die Anschriftenermittlung ist schon immer der Prozessgebühr (heute Verfahrensgebühr) zugerechnet worden, vgl. v. Eicken/Madert, NJW 2004, 2877, 2877.
[2] BGH, AGS 2004, 151 = JurBüro 2004, 315; BGH NJW 2004, 1101 = AGS 2004, 99 zu §§ 3 und 57 BRAGO.
[3] Bei sofortiger Erfüllung liegt kein Verfahren vor, vgl. Riedel/Sußbauer/Fraunholz, § 15 RVG Rn 19.

b) Die gekürzte Verfahrensgebühr, Nr. 3101 VV RVG

aa) Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG: vorzeitiges Ende

 

Rz. 6

Endet das Mandat vorzeitig (durch Erfüllung, Einigung, Mandatskündigung) wird die Gebühr in den meisten Fällen, aber nicht immer, ermäßigt. Die Gebührenermäßigung greift nur ein, wenn sie vom Gesetz ausdrücklich angeordnet ist. Es ist dann jeweils angegeben, bis zu welcher Einzelhandlung von einer vorzeitigen Erledigung gesprochen wird. Der wichtigste Fall ist Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG. Eine vergleichbare Regelung findet sich für das Mahnverfahren in Nr. 3306 VV RVG und für das Verfahrenskostenhilfebewilligungsverfahren in Nr. 3337 VV RVG. Für Einzeltätigkeiten wie die Tätigkeit als Verkehrsanwalt und als Unterbevollmächtigter gilt Nr. 3405 VV RVG. Vorzeitiges Ende im Rechtsmittelverfahren wird in Nr. 3201 Nr. 1 VV RVG für Berufung/Beschwerde (Vorb. 3.2.1 Nr. 2b VV RVG) und Revision/Rechtsbeschwerde (Nr. 3207, Vorb. 3.2.1 Nr. 2b VV RVG), in Nrn. 3503, 3505, 3507 u...

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