Rz. 256

Übernehmer des Landguts muss ein pflichtteilsberechtigter Erbe sein. Er muss die übernommene wirtschaftliche Einheit tatsächlich fortführen.[654] Die entsprechende Fortführungsabsicht bzw. die Absicht des Übernehmers, einen landwirtschaftlichen Betrieb in absehbarer Zeit wieder aufzunehmen, ist als subjektives Tatbestandsmerkmal unabdingbare Voraussetzung für die Anwendung von § 2312 BGB. Es reicht allerdings aus, wenn anstatt des Übernehmers selbst einer seiner pflichtteilsberechtigten Abkömmlinge die Führung des Betriebs übernimmt.[655]

 

Rz. 257

Im Hinblick auf die Fortführung wird mitunter auch von einer "Prognose aus objektivierender Sicht" gesprochen.[656] Insofern hat der vom Pflichtteilsberechtigten in Anspruch genommene Erbe darzulegen und ggf. auch zu beweisen, dass eine Fortführung, also eine nachhaltige Bewirtschaftung, tatsächlich möglich und auch beabsichtigt ist.[657]

Ob eine Verpachtung des Betriebs einer solchen positiven Prognose entgegensteht, hängt in erster Linie von der Dauer der Verpachtung ab.[658] Soll lediglich ein kurzer Zeitraum, beispielsweise bis zum Eintritt der jüngeren Generation in den Betrieb, überbrückt werden, führt eine Verpachtung wohl nicht zum Verlust der Bewertungsprivilegien.[659] Wie lange in diesem Zusammenhang ein "kurzer Zeitraum" sein kann, ist aber noch ungeklärt.[660]

 

Rz. 258

Bei längerfristiger Verpachtung werden von der überwiegenden Meinung weitere Anhaltspunkte gefordert, um eine Anwendbarkeit von § 2312 BGB zu verneinen.[661] Dies ist insoweit nachvollziehbar, als auch im Falle der Verpachtung des Betriebs als wirtschaftlicher Einheit dessen agrarpolitischer Wert ungeschmälert erhalten wird. Besteht allerdings die Absicht, den Betrieb – oder wesentliche Teile davon – in absehbarer Zeit zu veräußern oder aufzugeben, geht das Bewertungsprivileg verloren.[662]

 

Rz. 259

 

Praxishinweis

Wer das Ertragswertprivileg erhalten will, sollte eine dauerhafte Verpachtung, noch dazu an Fremde, vermeiden.

[654] MüKo-BGB/Lange, § 2312 Rn 17.
[655] Vgl. Damrau/Tanck/Riedel, § 2312 Rn 14.
[656] BGH v. 11.3.1992 – IV ZR 62/91, NJW-RR 1992, 770; BGH v. 14.9.1994 – II R 95/92, ZEV 1995, 74 = NJW 1995, 1352.
[657] BGH FamRZ 1989, 1276; OLG München ZErb 2006, 322; MüKo-BGB/Lange, § 2312 Rn 17.
[658] Vgl. für Hofeseigenschaft im Anwendungsbereich der HöfeO OLG Braunschweig v. 31.10.2011 – 2 W 4/11, BeckRS 2012, 03591.
[659] Damrau/Tanck/Riedel, § 2312 Rn 17; Hausmann, Vererbung von Landgütern nach dem BGB, S. 137; Wöhrmann/Stöcker, § 2049 BGB Rn 16 ff.
[660] Damrau/Tanck/Riedel, § 2312 Rn 14.
[661] Soergel/Dieckmann, § 2312 Rn 9; Damrau/Tanck/Riedel, § 2312 Rn 15; vgl. auch Nieder/Kössinger, Testamentsgestaltung, § 2 Rn 74 m.w.N.
[662] BayObLG v. 7.12.1988 – BReg. 1a Z 8/88, FamRZ 1989, 540, 541; Damrau/Tanck/Riedel, § 2312 Rn 17.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge