Rz. 130

Die Ermittlung des Wertes selbstgenutzter Immobilien, vor allem von Ein- und Zweifamilienhäusern,[386] erfolgt im Regelfall nach dem Sachwertverfahren.[387] Maßgeblich ist in erster Linie der Preis, den ein potenzieller Erwerber für eine Immobilie, die er selbst nutzen will, zu zahlen bereit wäre. Dieser hängt vor allem davon ab, wie viel er für ein anderes Grundstück in vergleichbarer Lage aufwenden müsste und welche Kosten die Herstellung eines vergleichbaren Gebäudes auf diesem Grundstück verursachen würde.[388] Die Nutzungs- und Ertragsmöglichkeiten stehen hier regelmäßig nicht im Vordergrund.[389]

 

Rz. 131

Das Sachwertverfahren geht von der Vorstellung aus, dass die Ersatzbeschaffungskosten der zu bewertenden Immobilie für deren Bewertung maßgeblich sind. Sein Anwendungsbereich ist daher immer dann eröffnet, wenn die Kosten der Ersatzbeschaffung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr als preisbestimmend angesehen werden können.[390]

 

Rz. 132

Ausgangspunkt für die Durchführung des Sachwertverfahrens bilden die gewöhnlichen Herstellungskosten. Dabei sind auch die am Wertermittlungsstichtag vorherrschenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, wie sie im Falle einer Neuerrichtung des Bewertungsobjekts anfallen würden, zu berücksichtigen. Im Vordergrund steht nicht die Reproduktion des bestehenden Objekts (unter Zugrundelegung des im Errichtungszeitpunkt gültigen Baustandards etc.), vielmehr sind es die "neuzeitlichen Erstbeschaffungskosten".[391] Auf diese Weise ergibt sich (nach §§ 2123 ImmoWertV) ein vorläufiger Sachwert, der anschließend mit Hilfe von so genannten Sachwertfaktoren (die empirisch aus Beobachtungen am Grundstücksmarkt abgeleitet werden) den tatsächlichen Verhältnissen am Grundstücksmarkt im Bewertungszeitpunkt anzupassen ist (Marktanpassung nach § 21 Abs. 1 ImmoWertV). Außerdem sind auch die besonderen objektspezifischen Grundstücksmerkmale nach Maßgabe von § 8 Abs. 2 und 3 ImmoWertV zu berücksichtigen.[392] Die einzelnen Schritte des Verfahrens stellen sich – grob umrissen – wie folgt dar:

 

Rz. 133

Zunächst ist der Sachwert nach § 21 Abs. 1 ImmoWertV zu ermitteln. Dieser setzt sich zusammen aus

dem (vorläufigen) Bodenwert nach § 16 ImmoWertV,
dem (vorläufigen) Sachwert der (nutzbaren) baulichen Anlage (Gebäudesachwert) und
dem (vorläufigen) Sachwert der (nutzbaren) sonstigen Anlagen.[393]
 

Rz. 134

Der Bodenwert, also der Wert des (unbebauten) Grundstücks, wird grundsätzlich aus dem Bodenwert vergleichbarer unbebauter Grundstücke (§ 16 Abs. 1 ImmoWertV) nach dem Vergleichswertverfahren abgeleitet.[394]

 

Rz. 135

Der Sachwert der baulichen Anlagen ist auf der Grundlage der "gewöhnlichen" Herstellungskosten (§ 21 Abs. 2 ImmoWertV) zu bestimmen. Basis für deren Ermittlung sind die "gewöhnlichen" bzw. "marktüblichen Herstellungskosten" (Normalherstellungskosten) für den Fall der Neuerrichtung einer nach der Art der baulichen Anlagen, der Ausstattung und der Beschaffenheit (Gebäude) vergleichbaren Immobilie.[395] Gemäß § 22 Abs. 1 ImmoWertV werden die gewöhnlichen Herstellungskosten je Flächen-, Raum- oder sonstiger Bezugseinheit mit der Anzahl der entsprechenden Bezugseinheiten der bewertungsgegenständlichen baulichen Anlage mutlipiziert. Als maßgebliche Bezugseinheit wird vielfach die so genannte reduzierte Brutto-Grundfläche zugrunde gelegt.[396]

 

Rz. 136

Eine Bewertung auf der Grundlage der Einzelkosten für die jeweils erforderlichen Einzel-Gewerke erfolgt nur in Ausnahmefällen. Auch hierbei werden stets nur die "gewöhnlichen" Kosten zugrunde gelegt. Ein Rückgriff auf die tatsächlich entstandenen Kosten ist nach der ImmoWertV nicht zulässig.[397]

 

Rz. 137

Die praktische Vorgehensweise zur Ermittlung der Herstellungskosten baulicher Anlagen nach § 22 ImmoWertV stellt sich vor diesem Hintergrund im Wesentlichen wie folgt dar:[398]

Als erstes werden die für die Ermittlung der Herstellungskosten geeigneten Normalherstellungskosten bestimmt. Dabei wird meist – entsprechend den Empfehlungen der SachwertR – auf Kostenkennwerte gemäß NHK 2010 zurückgegriffen, die nach verschiedenen Gebäudearten (Gebäudetypen) differenziert und auch der Gebäudestandard, also die Ausstattung, in drei Stufen berücksichtigt,[399] so dass dem konkreten Bewertungsobjekt angemessene Normalherstellungskosten in die Bewertung einfließen.

 

Rz. 138

Im nächsten Schritt ist die Gesamtfläche bzw. der Rauminhalt der zu bewertenden baulichen Anlagen zu ermitteln. Hierbei sind diejenigen Berechnungsgrundsätze zugrunde zu legen, die auch der Bestimmung der einzubeziehenden Normalherstellungskosten zugrunde liegen. Im Falle der Anwendung der NHK 2010 ist daher nach Ziff. 4.1.1.4 Abs. 2 S. 2 SachwertR die reduzierte Brutto-Grundfläche zu ermitteln.

 

Rz. 139

Auf Basis dieser beiden Arbeitsschritte ergeben sich nach § 20 Abs. 1 ImmoWertV die vorläufigen Herstellungskosten der baulichen Anlage durch Multiplikation der Normalherstellungskosten mit der (im vorstehend beschriebenen zweiten Schritt ermittelten) Gesamtfläche (bzw. dem Rauminhalt) der zu...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge