Rz. 115

Soweit der gemeine Wert durch Schätzung zu ermitteln ist, kommen hierfür verschiedene Bewertungsmethoden in Betracht. Die h.M. unterscheidet insoweit verschiedene Arten von Grundstücken, deren Bewertung sich jeweils nach unterschiedlichen Grundsätzen richtet.[360] Dies entspricht auch der derzeit in der Literatur favorisierten[361] Vorgehensweise nach der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV),[362] die unmittelbar eigentlich zwar nur für das Verfahren nach §§ 192 ff. BauGB gilt und nach der der Verkehrswert des Grundstücks i.S.d. § 194 BauGB bestimmt wird.

 

Rz. 116

Der Verkehrswert stellt nach § 194 BauGB eine objektivierte Größe dar, die weder durch einen evtl. Verkaufsdruck des Besitzers oder seine Verkaufsunwilligkeit noch durch Sonderfaktoren beeinflusst wird. Er ist mit dem "wahren", "inneren", "wirklichen" Wert eines Grundstücks gleichzusetzen.[363] Sie genügt daher also prinzipiell den Vorgaben des § 2311 BGB.

 

Rz. 117

Nach § 3 Abs. 2 ImmoWertV bilden die allgemeinen Verhältnisse auf dem Grundstücksmarkt einen wesentlichen Faktor für die Wertbestimmung[364] und richten sich nach der Gesamtheit der am Wertermittlungsstichtag für die im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den Regeln von Angebot und Nachfrage erfolgende Preisbildung maßgeblichen Umstände.[365] Die allgemeine wirtschaftliche Situation, der Kapitalmarkt sowie die örtlichen Entwicklungen wirken sich also auf die Bewertung aus, nicht aber persönliche oder ungewöhnliche Verhältnisse der Beteiligten (§ 7 WertV). Ziel der Wertermittlung ist vielmehr der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielbare Wert.[366] Die Gepflogenheiten des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs sind daher – nach § 8 Abs. 1 S. 2 ImmoWertV – auch bei der Wahl des Bewertungsverfahrens zu beachten.[367]

 

Rz. 118

Gem. § 4 Abs. 2 ImmoWertV kommt natürlich auch dem Zustand des Grundstücks entscheidende Bedeutung zu. Der "Zustand" in diesem Sinne beschreibt die Gesamtheit der wertbeeinflussenden rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften und wird durch den Entwicklungszustand (§ 5 ImmoWertV) sowie durch Art und Ausmaß der baulichen Nutzung (§ 6 ImmoWertV) bestimmt. Gem. § 6 Abs. 2 ImmoWertV sind auch wertbeeinflussende Rechte und Belastungen zu berücksichtigen. Gleiches gilt gem. § 6 Abs. 3 ImmmoWertV für den beitrags- und abgabenrechtlichen Zustand sowie gem. § 6 Abs. 4 ImmoWertV für die Verkehrsanbindung, die Nachbarschaft, die Wohn- und Geschäftslage und die Umwelteinflüsse (Lagemerkmale).

Weitere relevante Merkmale sind gem. § 6 Abs. 5 ImmoWertV schließlich die tatsächliche Nutzung, die Erträge, die Grundstücksgröße und der Zuschnitt sowie die Bodenbeschaffenheit, bei bebauten Grundstücken zusätzlich die Gebäudeart, die Bauweise und die Baugestaltung, die Größe, Ausstattung und Qualität, der bauliche Zustand sowie die energetischen Eigenschaften. § 6 Abs. 6 ImmoWertV nennt außerdem die Restnutzungsdauer, also die Zahl der Jahre, in denen eine bauliche Anlage bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung voraussichtlich noch genutzt werden kann.

 

Rz. 119

§ 8 Abs. 1 S. 1 ImmoWertV nennt verschiedene Bewertungsmethoden, die zur Wertermittlung in Betracht kommen, nämlich das Vergleichswertverfahren (§§ 15, 16 WertV), das Ertragswertverfahren (§§ 17 bis 20 WertV) und das Sachwertverfahren (§§ 21 bis 23 WertV). Diese sind grundsätzlich für folgende Grundstücksarten anzuwenden:[368]

 

Rz. 120

Das Vergleichswertverfahren wird regelmäßig zur Bewertung unbebauter Grundstücke sowie zur Bestimmung des Werts des so genannten Bodenwert-Anteils bebauter Grundstücke herangezogen. Soweit im Einzelfall taugliche Vergleichspreise verfügbar sind, können auch bebaute Grundstücke, insbesondere Eigentumswohnungen oder Reihenhäuser[369] nach dem Vergleichswertverfahren bewertet werden.

Nach dem Sachwertverfahren werden – soweit keine tauglichen Vergleichspreise verfügbar sind – vor allem Ein- und Zweifamilienhäuser bewertet.[370]

Das Ertragswertverfahren schließlich findet vorrangig Anwendung auf die Bewertung von Mietwohnhäusern, gewerblich-industriell genutzten Grundstücken, gemischt genutzten Grundstücken, öffentlich genutzten Grundstücken und Sonderimmobilien (z.B. Dienstleistungs- und Freizeitimmobilien).

Ungeachtet dieser grundsätzlichen Aussagen ist der Grundstücksachverständige bei der Wahl des Verfahrens aber frei.[371]

 

Rz. 121

Belastungen eines Grundstücks mit Rechten Dritter, die die wirtschaftliche Verwertbarkeit als "Vermögenshandelsobjekt" mindern, können und müssen – auch/gerade im Rahmen der Wertermittlung nach § 2311 BGB – nach allen Bewertungsmethoden durch angemessene Wertabschläge berücksichtigt werden.[372]

 

Rz. 122

Von den so ermittelten Werten sind die Kosten abzuziehen, die bei der Veräußerung einer Immobilie regelmäßig anfallen.[373] Auch eine latente Ertragsteuerbelastung kann hier in Betracht kommen.

[360] BGH v. 1.4.1992 – XII ZR 146/91, FamRZ 1992, 918, 919; Kleinle, FamRZ 1997, 1133; Soergel/Dieckmann, § 2311 Rn 33; Palandt/Weidlich, § 2311 Rn 8; Staudinger/Herzog, § 2311 ...

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