Rz. 83

Vor der Einführung der Überlassungshöchstdauer war umstritten, ob die zulässige Überlassungsdauer arbeitnehmer- oder arbeitsplatzbezogen zu bestimmen war (vgl. hierzu oben Rdn 69). Mit der Regelung in § 1 Abs. 1b S. 1 AÜG hat sich der Gesetzgeber für eine arbeitnehmerbezogene Betrachtung entschieden. Es kommt auf den Zeitraum an, den der Verleiher "denselben Leiharbeitnehmer" überlässt. Hiermit hat sich der Gesetzgeber an der Rechtsprechung zu § 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG a.F. (hierzu oben Rdn 64) orientiert, die ebenfalls eine arbeitnehmerbezogene Betrachtung vornahm.[196] Dies hat zur Folge, dass der Arbeitsplatz nach Ablauf der Überlassungshöchstdauer mit einem anderen Leiharbeitnehmer besetzt werden kann. Der Arbeitgeber kann daher einen Arbeitsplatz dauerhaft mit wechselnden Leiharbeitnehmern besetzen, solange die Überlassungshöchstdauer in Bezug auf die jeweils eingesetzten Leiharbeitnehmer nicht überschritten wird. Angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlautes liegt hierin kein Missbrauch der Arbeitnehmerüberlassung.[197] Auf der anderen Seite kann ein Leiharbeitnehmer nach Überschreiten der Überlassungshöchstdauer nicht weiter an denselben Entleiher (zum Begriff des Entleihers unten Rdn 85 ff.) überlassen werden, auch wenn er auf einem anderen Arbeitsplatz tätig wird. Ferner kann die Überlassungshöchstdauer nicht dadurch umgangen werden, dass der Leiharbeitnehmer seinen Arbeitgeber wechselt, sodass die Überlassung durch einen anderen Verleiher erfolgt. Nach § 1 Abs. 1b S. 1 Hs. 2 AÜG darf der Entleiher den Leiharbeitnehmer, unabhängig von welchem Verleiher er überlassen wird, nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate tätig werden lassen. Ein "Verleiherkarussell" ist damit nicht möglich.[198]

 

Rz. 84

Ob eine solche arbeitnehmerbezogene Bestimmung der Überlassungshöchstdauer europarechtskonform ist, war lange Zeit ungeklärt und umstritten.[199] Das BAG hat sich zu dieser Frage nicht geäußert, schien jedoch keine europarechtlichen Bedenken an einer arbeitnehmerbezogenen Überlassungshöchstdauer gehabt zu haben.[200] Nunmehr hat der EuGH in der Rechtssache Daimler[201] in Übereinstimmung mit der Stellungnahme von Generalanwalt Tanchev[202] ausdrücklich klargestellt, dass sich der Begriff "vorübergehend" ausschließlich auf die Überlassungsdauer beziehe und nicht auf den Arbeitsplatz beim Entleiher. Es sei daher mit der Leiharbeitsrichtlinie vereinbar, einen Leiharbeitnehmer auf einem Arbeitsplatz zu beschäftigen, der dauerhaft vorhanden sei und nicht vertretungsweise besetzt werde.

[197] So auch LAG Nürnberg v. 25.2.2021 – 5 Sa 396/20, BeckRS 2021, 14415 Rn 24; LAG Köln v. 6.9.2019 – 9 TaBV 23/19, BeckRS 2019, 26567 Rn 28 ff.; HWK/Höpfner, § 1 AÜG Rn 56; Thüsing/Waas, § 1 Rn 153; a.A. Schüren/Hamann/Hamann, § 1 Rn 302, 307.
[198] Vgl. auch FW BA Nr. 1.2.1 (3); BeckOK/Kock, § 1 AÜG Rn 99; Thüsing/Waas, § 1 Rn 153.
[199] Für Richtlinienkonformität: Bauer/Heimann, NJW 2013, 3287, 3288; BeckOK/Kock, § 1 AÜG Rn 134 f.; Baeck/Winzer, NZG 2013, 251, 253; LAG Nürnberg v. 25.2.2021 – 5 Sa 396/20, BeckRS 2021, 14415 Rn 24; LAG Köln v. 6.9.2019 – 9 TaBV 23/19, BeckRS 2019, 26567 Rn 29 ff.; LAG Berlin-Brandenburg v. 22.5.2014 – 14 TaBV 184/14, BeckRS 2014, 72456; LAG Hamburg v. 4.9.2013 – 5 TaBV 6/13, LAGE § 1 AÜG Nr. 11= BeckRS 2013, 75020; Steinmeyer, DB 2013, 2740, 2741 f.; Thüsing/Stiebert, DB 2012, 632, 633. Für Richtlinienwidrigkeit: Brors/Schüren, NZA 2014, 569, 570; Preis/Sagan/Sansone, § 12.30; Wank, BB 2018, 1909, 1915; LAG Berlin-Brandenburg v. 16.4.2013 – 3 TaBV 1983/12, 3 TaBV 1987/12, NZA-RR 2013, 621; LAG Hamburg v. 23.9.2014 – 2 TaBV 6/14, LAGE § 1 AÜG Nr. 15 = BeckRS 2015, 65468; LAG Niedersachsen v. 19.9.2012 – 17 TaBV 124/11, BeckRS 2012, 74786; LAG Schleswig-Holstein v. 8.1.2014 – 3 TaBV 43/13, LAGE § 1 AÜG Nr. 14 = BeckRS 2014, 65321.

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