Rz. 138

Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1b AÜG wird das Arbeitsverhältnis zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer mit Überschreiten der Überlassungshöchstdauer unwirksam, wenn der Leiharbeitnehmer nicht bis zum Ablauf eines Monats nach Überschreiten der zulässigen Überlassungshöchstdauer schriftlich gegenüber dem Verleiher oder dem Entleiher erklärt, an dem Arbeitsvertrag mit dem Verleiher festzuhalten (zur Festhaltenserklärung Rdn 249 ff.). Dies gilt sowohl bei der Überschreitung der gesetzlichen Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten als auch bei der Überschreitung einer nach § 1 Abs. 1b S. 3 bis 8 AÜG abweichend festgelegten Überlassungshöchstdauer. Die gesetzlichen Folgen einer Überschreitung der Überlassungshöchsdauer stehen nicht zur Disposition der Tarif- und/oder Betriebsparteien.[323] Ausreichend ist ein objektiver Verstoß, sodass es auf die subjektiven Vorstellungen der Beteiligten nicht ankommt.[324] Die Unwirksamkeit des Leiharbeitsvertrags tritt mit Wirkung für die Zukunft (ex nunc) ein.[325] Für die Vergangenheit hat die Überschreitung der Überlassungshöchstdauer somit keine Rechtsfolgen.

 

Rz. 139

Soweit der Leiharbeitsvertrag trotz Eintritt der Unwirksamkeit weiter vollzogen worden ist, gelten zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer die Grundsätze des faktischen Arbeitsverhältnisses.[326] Der unwirksam gewordene Leiharbeitsvertrag ist für die Dauer des Vollzugs als wirksam zu behandeln (zur gesamtschuldnerischen Haftung hinsichtlich sonstiger Teile des Arbeitsentgelts unten Rdn 145). Das faktische Arbeitsverhältnis kann jedoch jederzeit beiderseits für die Zukunft mit einer einseitigen Erklärung beendet werden. Das Recht, die Unwirksamkeit des Leiharbeitsvertrags geltend zu machen, kann nicht verwirken (vgl. auch unten Rdn 143). Allerdings kann in einer fortgesetzten Durchführung des Leiharbeitsverhältnisses ein konkludenter Neuabschluss des Leiharbeitsvertrags zu sehen sein.

 

Rz. 140

 

Beispiel:

Der Verleiher V hat den Leiharbeitnehmer L für einen ununterbrochenen Zeitraum von 24 Monaten an das Unternehmen U 1 überlassen. Eine abweichende tarifliche oder betriebliche Regelung zur Überlassungshöchstdauer besteht nicht. Nach Beendigung der Überlassung überlässt V den L für sechs Monaten an das Unternehmens U 2. L widerspricht dem nicht. In dieser Fortsetzung des Leiharbeitsverhältnisses mit V ist mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ein konkludenter Neuabschluss des Leiharbeitsvertrags zu sehen.[327]

[323] ErfK/Wank/Roloff, § 1 AÜG Rn 60.
[324] Vgl. auch BeckOK/Kock, § 9 AÜG Rn 41; Schüren/Hamann/Schüren, § 9 Rn 105.
[325] FW BA Nr. 9 (6); BeckOK/Kock, § 9 AÜG Rn 43.
[326] So auch die wohl h.M. zu § 9 Nr. 1 AÜG; vgl. etwa BSG v. 29.6.2016 – B 12 R 8/14 R, BB 2017, 382 Rn 19; HWK/Höpfner, § 9 AÜG Rn 9; Schüren/Hamann/Schüren, § 9 Rn 31; Thüsing/Mengel, § 9 Rn 24; in diese Richtung auch BAG v. 26.7.1984 – 2 AZR 471/83, EzAÜG § 1 AÜG Gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung Nr. 18; offen gelassen von BAG v. 20.4.2005 – 7 ABR 20/04, NZA 2005, 1006; a.A. BGH v. 18.7.2000 – X ZR 62/98, NJW 2000, 3492; Boemke/Lembke, § 9 AÜG Rn 66; unklar BAG v. 20.9.2016 – 9 AZR 735/15, NZA 2017, 49 Rn 54.
[327] Vgl. für den Fall einer Fortsetzung des Leiharbeitsverhältnisses nach Erteilung der Verleiherlaubnis HWK/Höpfner, § 9 AÜG Rn 11.

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