Rz. 181

Eine Schadenersatzpflicht sowohl des befreiten als auch des nicht befreiten Vorerben besteht bei unentgeltlichen Verfügungen unter Verstoß gegen § 2113 Abs. 2 BGB sowie bei einer arglistigen Verminderung des Nachlasses:

a) Unentgeltliche Verfügungen

 

Rz. 182

Verfügt der Vorerbe unter Verstoß gegen § 2113 Abs. 2 BGB unentgeltlich über Erbschaftsgegenstände, so ist er dem Nacherben zum Schadenersatz verpflichtet. Für den befreiten Vorerben ergibt sich diese Verpflichtung aus § 2138 Abs. 2 BGB. Gegenüber dem nicht befreiten Vorerben – für den § 2138 BGB nicht gilt – ist Anspruchsgrundlage § 2130 Abs. 1 BGB[170] (Verstoß gegen die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Verwaltung, vgl. Rdn 172 ff.).

 

Rz. 183

Unentgeltlichkeit liegt dann vor, wenn – objektiv – der Verfügung keine gleichwertige Leistung gegenüber steht und – subjektiv – der Vorerbe dies weiß oder bei ordnungsgemäßer Verwaltung des Nachlasses hätte erkennen müssen.[171] Bei einem groben Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Parteien sich über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung einig waren.[172]

Zudem liegt ein Entgelt im Sinne des § 2113 Abs. 2 BGB bei einer Verfügung des nicht befreiten Vorerben nur vor, wenn die Gegenleistung in den Nachlass fließt.[173] Allerdings wird die Gegenleistung in der Regel als Surrogat kraft Gesetzes in den Nachlass fallen, ohne dass der Vorerbe dies beeinflussen kann.[174]

Bei befreiter Vorerbschaft ist eine Verfügung grundsätzlich auch dann entgeltlich, wenn die Gegenleistung in das Eigenvermögen des Vorerben fließt. Jedoch muss die Eingehung der Verbindlichkeit durch den befreiten Vorerben im Rahmen einer ordnungsmäßigen Verwaltung des Nachlasses erfolgt sein, da anderenfalls die auch für ihn geltende Schranke des § 2113 Abs. 2 BGB (Verbot unentgeltlicher Verfügungen) unterlaufen werden könnte.[175]

 

Rz. 184

Umstritten ist die Behandlung der teilweise unentgeltlichen Verfügungen (gemischte Schenkungen). Die Unwirksamkeit erfasst hier nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die gesamte Verfügung, also auch den entgeltlichen Teil.[176] Der Nacherbe hat dann die Wahl: Er kann entweder einen Schadenersatzanspruch gegen den Vorerben geltend machen oder einen Herausgabeanspruch gegenüber dem beschenkten Dritten (siehe unten Rdn 211 ff.).

 

Rz. 185

Auch unbenannte Zuwendungen zwischen Ehegatten stellen eine unentgeltliche Verfügung im Sinne des § 2113 Abs. 2 BGB dar.[177] Das gleiche gilt für Zuwendungen unter Lebenspartnern.[178]

 

Rz. 186

Die Zustimmung eines Gesellschafter-Vorerben zur Änderung eines Gesellschaftsvertrages kann eine unentgeltliche Verfügung über den Gesellschaftsanteil darstellen, wenn dadurch in die Mitgliedschaftsrechte der Vorerben eingegriffen wird. Eine Änderung des Gesellschaftsvertrages ist nur dann entgeltlich, wenn entweder auch die Mitgliedschaftsrechte der übrigen Gesellschafter in gleicher Weise betroffen oder die übrigen Gesellschafter nur im Falle der Abänderung des Gesellschaftsvertrages zu Investitionen bereit sind.[179]

 

Rz. 187

Schließlich kann das freiwillige Ausscheiden des Vorerben aus einer Personengesellschaft eine teilweise unentgeltliche Verfügung darstellen, wenn der Abfindungsanspruch objektiv nicht vollwertig ist.[180] Dies ist dann der Fall, wenn wesentliche Vermögensbestandteile der Gesellschaft – stille Reserven, Goodwill, schwebende Geschäfte – in die Abrechnung nicht einbezogen worden sind.[181]

 

Rz. 188

Rechtsgrundlose Verfügungen werden den unentgeltlichen Verfügungen gleichgestellt.[182]

 

Rz. 189

Zum Nachweis der Entgeltlichkeit als Voraussetzung für die Löschung eines Nacherbenvermerks (§ 51 GBO) im Grundbuch: § 4 Rdn 68 ff.

 

Rz. 190

Umstritten ist, ob die Vornahme der unentgeltlichen Verfügung in Benachteiligungsabsicht erfolgen muss oder schuldhaftes Verhalten ausreichend ist. Der Bundesgerichtshof hat in einer älteren Entscheidung[183] ein Handeln des Vorerben in Benachteiligungsabsicht gefordert. Dem ist die Literatur unter Hinweis auf die eindeutige Formulierung des Gesetzestextes, der eine Benachteiligungsabsicht nur in der 2. Alternative des § 2138 Abs. 2 BGB (arglistige Verminderung der Erbschaft) vorsieht, entgegengetreten.[184]

 

Rz. 191

Als weitere Voraussetzung für einen Verstoß gegen § 2113 BGB muss die Verfügung des Vorerben zu einer Beeinträchtigung oder Vereitelung der Rechtsstellung des Nacherben geführt haben. Diese liegt bei unentgeltlichen Verfügungen regelmäßig in dem Verlust des weggegebenen Gegenstandes. Bei einer gemischten Schenkung liegt die Beeinträchtigung lediglich in der Differenz, um welche die Gegenleistung wertmäßig hinter dem weggegebenen Nachlassgegenstand zurückbleibt.[185]

 

Rz. 192

Streitig ist, ob der Erblasser den Vorerben mittelbar von der Schadenersatzpflicht befreien kann, indem er den Nacherben entweder mit einem Vermächtnis ("Zustimmungsvermächtnis"), Schenkungen des Vorerben zu genehmigen,[186] beschwert oder in einem Befreiungs- oder Freistellungsvermächtnis dem Nacherben auferlegt, den Vorerben von den zwin...

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