Rz. 264

Pflegebedürftige Geschädigte können entweder in der Familie von Familienangehörigen oder von Freunden zu Hause betreut werden, oder aber von professionellen Pflegekräften in der eigenen Häuslichkeit versorgt werden. Schließlich besteht auch die Möglichkeit einer Unterbringung und Betreuung im Pflegeheim.

 

Rz. 265

Die Betreuung eines pflegebedürftigen Geschädigten in seiner Häuslichkeit durch Familienangehörige oder Freunde darf den Schädiger jedoch dann nicht entlasten, wenn diese Tätigkeiten unentgeltlich erbracht werden (BGHZ 140, 39; OLG Hamm DAR 1994, 496). Ersatzpflichtig ist der volle erforderliche Aufwand (LG Würzburg DAR 2002, 74): So kommt es bei der unentgeltlich übernommenen häuslichen Pflege durch Familienangehörige oder Freunde auf die Höhe des Aufwandes an, der erforderlich ist, den Verletzten in der von ihm gewählten und zumutbaren Lebensgestaltung pflegerisch zu versorgen. Zu Bereitschaftszeiten vgl. beispielhaft OLG Zweibrücken NJW-RR 2008, 620.

Die Feststellungen der Pflegekasse zur Bemessung des anzusetzenden Zeitbedarfs können allenfalls eine Mindestschätzung darstellen. Eine darüber hinausgehende Mehrforderung ist auf Grundlage substantiellen Vortrages möglich. Entsprechend des OLG Koblenz VersR 2002, 244 sind jedoch solche Pflegekosten nicht mehr erstattungsfähig, die in keinem vertretbaren Verhältnis zur Qualität der Versorgung stehen. Vergleichend ist mindestens der Nettolohn einer entgeltlich tätigen Pflegekraft heranzuziehen (OLG Düsseldorf NJW-RR 2003, 90). Bei der Übernahme der Pflege durch ein Elternteil ist auch der Aufwand erstattungsfähig, der für den Aufbau der Altersrente des pflegenden Elternteils notwendig ist (OLG Düsseldorf NJOZ 2009, 3422). Für die Bemessung des Stundensatzes sollten Vergütungsgruppen und Stundensätze für Pflegefachkräfte herangezogen werden. Diese können aufgrund des Maßes der Pflegebedürftigkeit und der Fachkenntnisse variieren (Geigel, Der Haftpflichtprozess, 27. Auflage 2015, S. 146).

 

Rz. 266

Richtigerweise sollte man sich bei der Feststellung des erforderlichen Aufwands und der Ausgestaltung von Arbeitsverträgen für Mitarbeiter in Arbeitgebermodellen bundesweit am TVöD (besonderer Teil Pflege- und Betreuungseinrichtungen) orientieren. Zwar ist es zutreffend, dass sehr viele Angestellte im Bereich von Pflege und Betreuung bei Arbeitgebern beschäftigt sind, die keiner Tarifbindung unterliegen (z.B. private ambulante Pflegedienste). Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass mit dem TVöD ein arbeitsvertraglicher Rahmen zur Verfügung steht, über den man sowohl in der Personalakquise als auch bei Einstellungsgesprächen relativ schnell eine Einigung erzielen kann. Nachdem noch vor einigen Jahren eine Vergütung gemäß TVöD, verglichen mit den durchschnittlichen Bedingungen der Pflegebranche, im oberen Drittel der Streubreite gelegen hat, haben sich durch den immer konkreter werdenden Mangel an geeignetem Personal die Durchschnittslöhne kontinuierlich erhöht. Insoweit stellt der TVöD inzwischen die Untergrenze des Verhandelbaren dar.

Bei Einstellung bzw. Beginn des Arbeitsverhältnisses werden Beschäftigte der Stufe 1 zugeordnet, wenn keine einschlägige Berufserfahrung vorliegt. Bei mindestens einem Jahr einschlägiger Berufserfahrung erfolgt die Einstellung in Stufe 2, bei mindestens 3 Jahren einschlägiger Berufserfahrung erfolgt die Zuordnung zu Stufe 3. Die Stufe 2 erreicht man nach einem Jahr in Stufe 1, Stufe 3 erreicht man nach 2 Jahren in Stufe 2, die Stufe 4 erreicht man nach 3 Jahren in Stufe 3, Stufe 5 erreicht man nach 4 Jahren in Stufe 4 und die Stufe 6 erreicht man nach 5 Jahren in Stufe 5. Die Eingruppierung in die entsprechenden Entgeltgruppen hat sich an der Qualität der entsprechend zu erbringenden Pflegeleistungen zu orientieren. Für Rufbereitschaftszeiten sollte eine Erhöhung der Vergütung um 10 bis 15 % des Stundenentgeltes pro Stunde Berücksichtigung finden. Für erbrachte Pflegeleistungen an Sonn- und Feiertagen sollte ein entsprechender Zuschlag in Höhe von 25 % des Stundenentgeltes berücksichtigt werden.

 

Rz. 267

Jedoch besteht auch die Möglichkeit einer fiktiven Abrechnung der erbrachten unentgeltlichen Hilfeleistungen von Freunden und Familienmitgliedern (OLG Köln FamRZ 1989, 178). Die fiktive Abrechnung kann als Untergrenze auf der Basis des für die Pflege geltenden Mindestlohnes erfolgen. Dieser staffelt sich wie folgt:

allgemeiner Mindestlohn (1.1.2015)

alte Bundesländer: 8,50 EUR
neue Bundesländer: 8,50 EUR

allgemeiner Mindestlohn (ab 1.1.2017)

alte Bundesländer: 8,84 EUR
neue Bundesländer: 8,84 EUR

Pflegemindestlohn (ab 1.7.2013)

alte Bundesländer: 9,00 EUR
neue Bundesländer: 8,00 EUR

Pflegemindestlohn (ab 1.1.2015)

alte Bundesländer: 9,40 EUR
neue Bundesländer: 8,65 EUR

Pflegemindestlohn (ab 1.1.2016)

alte Bundesländer: 9,75 EUR
neue Bundesländer: 9,00 EUR

Pflegemindestlohn (ab 1.1.2017)

alte Bundesländer: 10,20 EUR
neue Bundesländer: 9,50 EUR

Dies bezieht sich jedoch lediglich auf einfachste Leis...

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