Leitsatz

Aufwendungen wegen Pflegebedürftigkeit sind nur insoweit als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, als die Pflegekosten die Leistungen der Pflegepflichtversicherung und das aus einer ergänzenden Pflegekrankenversicherung bezogene Pflege(tage)geld übersteigen.

 

Normenkette

§ 33 EStG

 

Sachverhalt

Der pflegebedürftige K (Pflegestufe III) lebte in ­einem Pflegeheim. Die Pflegeaufwendungen (ca. 100 000 EUR) ersetzten Beihilfe und Pflegeversicherung teilweise; nicht gedeckt blieben Kosten von ca. 23 500 EUR. Diesen Betrag machte K als außergewöhnliche Belastung geltend.

K hatte noch eine private Pflegezusatzversicherung abgeschlossen, deren Beiträge er früher als Sonderausgaben geltend gemacht hatte. Laut Versicherungsbedingungen leistet der Versicherer im Versicherungsfall (= Pflegebedürftigkeit des Versicherten) Ersatz von Aufwendungen für Pflege oder ein Pflegegeld oder ein Pflegetagegeld. Daraus bezog K nun ein Pflegegeld (ca. 8 000 EUR).

Das FA berücksichtigte als außergewöhnliche Belastungen nur 15 500 EUR. Denn es brachte das aus der Versicherung erhaltene Pflegegeld in Abzug. Die Klage dagegen blieb erfolglos (FG Köln, Urteil vom 15.12.2009, 12 K 4176/07, Haufe-Index 2296324, EFG 2010, 644).

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision des K zurück und bestätigte aus den unter den Praxis-Hinweisen dargelegten Erwägungen die Auffassung der Vorinstanz.

 

Hinweis

Vorliegend war nicht streitig, dass Pflegeaufwendungen als außergewöhnliche Belastung (§ 33 EStG) gelten. Streitpunkt war vielmehr, ob die aus der privat abgeschlossenen Pflegekrankenversicherung erlangten Versicherungsleistungen aufwandsmindernd anzurechnen waren. Der BFH hat diese Frage bejaht.

1. Aus den Tatbestandsmerkmalen "Aufwendungen" und "außergewöhnlich" sowie dem Regelungsziel des § 33 EStG, die verminderte subjektive Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen, gelangt der BFH grundsätzlich und auch im konkreten Streitfall hier (2.) zu einer "Vorteils­anrechnung". Denn eine Minderung der Leistungsfähigkeit liegt im Ergebnis nur i.H.d. Differenz zwischen Aufwand und Ersatzleistung vor. Der BFH nahm insoweit sowohl auf Kommentarliteratur als auch auf schon früher dazu ergangene Rechtsprechung Bezug.

Allerdings ist die Vorteilsanrechnung nicht voraussetzungslos. Der den Steuerpflichtigen belastende Aufwand einerseits und die Ersatzleistung andererseits müssen in einer Wechselwirkung stehen. Diese Wechselwirkung bestimmt der BFH dahin, dass (steuerfreie) Ersatzleistung und Aufwand auf dem nämlichen Ereignis beruhen müssen. Nur die Vorteile sind anzurechnen, die der Steuerpflichtige erhält, um die entstandenen außergewöhnlichen Aufwendungen auszugleichen. Der BFH konnte dazu auf bis 1957 zurückreichende Rechtsprechung verweisen, etwa zur Anrechnung von Beihilfeleistungen, Leistungen aus Krankenhaustagegeldversicherungen, Schadenersatzleistungen des Unfallverursachers, Leistungen aus Sterbegeldversicherungen und Hausratversicherungen.

2. Hier waren die Ersatzleistungen aus der ergänzenden Pflegekrankenversicherung anzurechnen. Denn zwischen den Pflegekosten und den Leistungen aus der ergänzenden Pflegekrankenversicherung bestand ein enger Zusammenhang. Der Versicherer leistete – vergleichbar mit der gesetzlichen Pflegeversicherung – für den eingetretenen Versicherungsfall, der Pflegebedürftigkeit. Die Leistung bestand als monatliches Pflegegeld unabhängig von der Höhe der tatsächlichen Pflegekosten in einem festen Betrag.

Pflegeaufwand und Pflegetagegeld gründeten so auf demselben Ereignis, der Pflegebedürftigkeit, und dienten demselben Zweck, nämlich durch die Pflegebedürftigkeit anfallende Mehrkosten auszu­gleichen. Unerheblich war insoweit, dass der Versicherer unabhängig von den tatsächlichen Pflegekosten leistete. Denn die Leistungen bleiben ihrer Art nach eine zusätzliche Pflegekostenversicherung, auch wenn der Steuerpflichtige keinen oder einen geringeren Aufwand hat, indem er sich z.B. durch Angehörige statt durch professionelle Pflegekräfte betreuen lässt.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 14.04.2011 – VI R 8/10

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