Rz. 5

Bei der Ersatzvornahme ist zwischen der Selbstvornahme und der Fremdvornahme zu unterscheiden. Während bei der Selbstvornahme die Behörde die Handlung selbst ausführt, beauftragt sie bei der Fremdvornahme einen anderen (privaten Dritten) mit der Durchführung der Handlung durch Abschluss eines privatrechtlichen Vertrages. Führt die Behörde den Abschleppvorgang mit eigenen Mitteln durch, so steht der hoheitliche Charakter der Maßnahme außer Zweifel.[7] Bei der Fremdvornahme sind die Rechtsbeziehungen zwischen Behörde und Drittem privatrechtlich (Werkvertrag). Damit hat der Unternehmer auch nur einen Werklohnanspruch gegen die Behörde.[8]

 

Rz. 6

Die Beziehung zwischen Behörde und Pflichtigem ist öffentlich-rechtlich (Inanspruchnahme des Störers).

 

Rz. 7

Zwischen Unternehmer und dem Pflichtigen bestehen zunächst keine öffentlich-rechtlichen Beziehungen. In Betracht kommen allenfalls Ansprüche aus gesetzlichen Schuldverhältnissen, wie dies zum Beispiel der Fall ist, wenn der Unternehmer das Fahrzeug des Pflichtigen beim Abschleppen beschädigt (§ 823 BGB).

 

Rz. 8

Anders ist die Beurteilung aber dann, wenn der Unternehmer "Beamter im haftungsrechtlichen Sinne" ist. Dann kommen Amtshaftungsansprüche gem. Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB in Betracht, die sich dann aber gegen die öffentlich-rechtliche Körperschaft richten, die ihn beauftragt hat. Daneben haftet der Abschleppunternehmer grundsätzlich nicht, auch nicht aus §§ 823 ff. BGB.[9]

 

Rz. 9

Problematisch ist, ob der Unternehmer den Pflichtigen aus Geschäftsführung ohne Auftrag in Anspruch nehmen kann.[10] Daneben kommt grundsätzlich auch ein Anspruch des Pflichtigen gegen den Unternehmer aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Abschlepp-/Verwahrvertrag mit der Behörde i.V.m. den Grundsätzen über den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in Betracht.[11]

 

Rz. 10

Neben dem gesetzlich geregelten Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 BGB), der für den Dritten einen Anspruch auf die vereinbarte Leistung begründet, hat die Rechtsprechung den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter herausgebildet. Er ist dadurch gekennzeichnet, dass der Anspruch auf die geschuldete Hauptleistung allein dem Vertragspartner zusteht, der Dritte jedoch in der Weise in die vertraglichen Sorgfalts- und Obhutspflichten einbezogen ist, dass er bei deren Verletzung vertragliche Schadensersatzansprüche geltend machen kann.[12] Die Einbeziehung eines Dritten in die Schutzwirkungen eines Vertrages setzt voraus, dass Sinn und Zweck des Vertrages und die erkennbaren Auswirkungen der vertragsgemäßen Leistung auf den Dritten seine Einbeziehung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben erfordern und eine Vertragspartei, für den Vertragsgegner erkennbar, redlicherweise damit rechnen kann, dass die ihr geschuldete Obhut und Fürsorge in gleichem Maß auch dem Dritten entgegengebracht wird.[13] Eine Einbeziehung des Dritten ist regelmäßig zu verneinen, wenn ihm eigene vertragliche Ansprüche zustehen, die denselben oder zumindest einen gleichwertigen Inhalt haben wie diejenigen Ansprüche, die er auf dem Weg über die Einbeziehung in den Schutzbereich eines zwischen anderen geschlossenen Vertrages durchsetzen will.[14][15]

Nach diesen Grundsätzen ist der durch den Abschleppvorgang Geschädigte dann nicht schutzbedürftig, wenn ihm gegen die das Abschleppen anordnende Behörde neben seinem Amtshaftungsanspruch ein Schadensersatzanspruch aus einem durch den Abschleppvorgang begründeten öffentlich-rechtlichen Verwahrungsverhältnis zusteht, durch den sein Ersatzinteresse vollumfänglich abgedeckt wird.[16] Dabei wird ein öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis insbesondere durch das Abschleppen eines verbotswidrig geparkten oder verunfallten Fahrzeugs im Wege der Ersatzvornahme begründet.[17] Dies gilt auch dann, wenn sich die Behörde zur Durchführung des Abschleppvorgangs der Hilfe eines Privaten bedient.[18] Auf das öffentlich-rechtliche Verwahrungsverhältnis sind die bürgerlich-rechtlichen Verwahrungsvorschriften der §§ 688 ff. BGB sowie die für Leistungsstörungen bestehenden Bestimmungen entsprechend anzuwenden. Bei einer Beschädigung der Sache gelten insbesondere die §§ 276, 278 BGB sowie die §§ 280 ff. BGB analog.[19] Der Verwaltungsträger hat daher für schuldhafte Pflichtverletzungen – auch seines Erfüllungsgehilfen – einzustehen und Schadensersatz zu leisten, wobei ihm im Gegensatz zur Amtshaftung die Beweislast für fehlendes Verschulden obliegt.[20]

[7] BGH, Urt. v. 18.2.2014 – VI ZR 383/12, zfs 2014, 438 Rn 6.
[8] Zur Frage, ob und inwieweit der Unternehmer "Beamter im haftungsrechtlichen Sinn" sein kann vgl. unten Rdn 8 ff.
[10] OVG NRW NJW 1980, 1974. Vgl. zur Thematik auch Würtenberger, Zurückbehaltungsrechte und Schadensersatzansprüche beim Abschleppen verbotswidrig parkender Kfz, DAR 1983, 155 ff.; Vahle, VR 1992, 401; Wien, Das Zurückbehaltungsrecht des Abschleppunternehmers, DAR 2001, 60.
[11] Werner in: Roth,...

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