Rz. 38

Insgesamt ist umstritten, ob die Verbringung eines abgeschleppten Fahrzeugs auf einen Verwahrplatz der Behörde oder eines Abschleppunternehmens als Sicherstellung i.S.d. Standardbefugnisse des Polizei- und Ordnungsrechts oder als Ersatzvornahme zu qualifizieren ist.[66]

 

Rz. 39

Darüber hinaus stellt sich bei Annahme der Sicherstellung die Frage, ob diese nun im Wege einer Vollstreckungsmaßnahme entweder als unmittelbarer Zwang bzw. als Ersatzvornahme vollzogen wird[67] einerseits oder im Rahmen eines bloßen Realaktes andererseits.[68]

 

Rz. 40

Letztendlich werden diese Streitfragen von den Verwaltungsgerichten aber zu Recht eher selten diskutiert, weil Sicherstellung und Ersatzvornahme weitgehend gleiche tatbestandliche Voraussetzungen und Rechtsfolgen kennen. Insbesondere ist in beiden Fällen eine Inanspruchnahme wegen der durch das Abschleppen entstandenen Kosten möglich (vgl. z.B. die Kosten der Ersatzvornahme nach § 30 Abs. 1 MEPolG, § 46 Abs. 1 S. 2 SaarlPolG; die Kosten des unmittelbaren Zwangs nach § 49 Abs. 7 SaarlPolG sowie die Kosten für Sicherstellung und Verwahrung, § 24 Abs. 3 MEPolG, § 24 Abs. 3 SaarlPolG, § 43 Abs. 3 HessSOG).

 

Rz. 41

Im Rahmen der Sicherstellung zur Eigentumssicherung (§ 21 Nr. 2 MEPolG; § 21 Nr. 2 SaarlPolG; Art. 25 Nr. 2 BayPAG) muss die Maßnahme dem wirklichen oder wohlverstandenen mutmaßlichen Willen des Berechtigten entsprechen. Dies ist dann der Fall, wenn sie dessen objektivem Interesse entspricht. Dabei gelten die vergleichbaren Kriterien der zivilrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag (vgl. § 677 BGB).[69]

 

Rz. 42

Ist in den Ländergesetzen die "unmittelbare Ausführung" vorgesehen (vgl. § 5a MEPolG, § 8 HessSOG), so stellt sich im Rahmen der Sicherstellung dann noch die Frage der Abgrenzung der "unmittelbaren Ausführung" von der Zwangsanwendung im Wege des "sofortigen Vollzugs" (vgl. § 28 Abs. 2 MEPolG, § 44 Abs. 2 SaarlPolG).

 

Rz. 43

So hat der HessVGH im Rahmen einer Sicherstellung zur Eigentumssicherung (vgl. § 21 Nr. 2 MEPolG, § 21 Nr. 2 SaarlPolG, § 40 Nr. 2 HessSOG) festgehalten, dass die Sicherstellung ein Verwaltungsakt ist,[70] der die Anordnung an den Pflichtigen enthält, eine Sache herauszugeben. Ist der Gewahrsamsinhaber nicht bekannt oder erreichbar, so kommt unter den Voraussetzungen des § 8 HessSOG eine unmittelbare Ausführung in Betracht.[71]

 

Rz. 44

Eine im Wege unmittelbarer Ausführung vollzogene Sicherstellung einer Sache ist ein Verwaltungsakt, der ohne vorherige Bekanntgabe an den Adressaten vollzogen wird. Einstweiliger Rechtsschutz dagegen ist gegebenenfalls nach § 80 Abs. 5 S. 3 VwGO und nicht durch einstweilige Anordnung zu gewähren.[72]

 

Rz. 45

Auch dann, wenn keine Sicherstellung angenommen wird und wenn das Abschleppen letztendlich zurückgeführt wird auf einen Verstoß gegen ein Gebots-/Verbotsverkehrszeichen bzw. auf einen Verstoß gegen Vorschriften der StVO bzgl. Verkehrseinrichtungen (vgl. § 13 StVO), kann sich das Problem der Abgrenzung zwischen unmittelbarer Ausführung und Sofortvollzug stellen.

 

Rz. 46

Soweit in Ländergesetzen die im MEPolG vorgesehene "unmittelbare Ausführung" übernommen wurde (§ 5a MEPolG; vgl. z.B. § 8 HessSOG, § 8 PolGBW, § 7 HambSOG, § 6 SächsPolG, Art. 9 BayPAG), wonach die Polizei "eine Maßnahme selbst oder durch einen Beauftragten unmittelbar ausführen" kann, "wenn der Zweck der Maßnahme durch Inanspruchnahme der nach den §§ 4 oder 5 Verantwortlichen (Verhaltens- oder Zustandsstörer) nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann", kommt beim Abschleppen dieses Institut in Betracht.[73]

 

Rz. 47

Ansonsten kommt die Zwangsanwendung im Wege des "sofortigen Vollzugs" in Betracht (vgl. § 28 MEPolG, § 44 Abs. 2 SaarlPolG, § 50 Abs. 2 NWPolG, § 230 LVwG SH).

 

Rz. 48

Nach dem HambOVG[74] ist das Abschleppen eines Kfz dann als "unmittelbare Ausführung" zu qualifizieren, wenn das hierzu Anlass gebende verkehrsordnungswidrige Verhalten in einem Verstoß gegen unmittelbar geltende Rechtsvorschriften besteht. In derartigen Fällen fehlt es nämlich – im Unterschied zu den in Verkehrszeichen enthaltenen, sofort vollziehbaren Verwaltungsakten – regelmäßig an einer Grundverfügung, die gegebenenfalls im Wege der Ersatzvornahme zu vollstrecken ist.

[66] Dazu Vahle, VR 1997, 92.
[67] So das OVG Sachsen-Anhalt DAR 1998, 403.
[68] In diesem Sinne lesen sich die Entscheidungen des VG Saarland zfs 2000, 370 und VG Saarland, Urt. v. 21.2.2000 – 6 K 46/98, die auf die Kostenregelung im Rahmen der Sicherstellung – § 24 Abs. 3 SaarlPolG – und gerade nicht auf Ersatzvornahme abstellen.
[69] BVerwG zfs 2000, 366 = BayVBl 2000, 380; HessVGH zfs 1999, 445.
[70] HessVGH NZV 2009, 416.
[71] HessVGH zfs 1999, 445 = NJW 1999, 3793.
[72] HessVGH NZV 2009, 416.
[73] Einzelheiten zu Abgrenzungsfragen: VGH BW zfs 1995, 437; HessVGH NVwZ-RR 1995, 29 = zfs 1995, 119 – Ls.; NJW 1997, 1023; NVwZ-RR 1999, 23 = zfs 1998, 198 – Ls.
[74] zfs 2001, 45 m.w.N.

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