Rz. 111

 

Achtung: Im Einverständnis

Wer im Einverständnis mit dem Geschädigten den Unfallort verlässt, erfüllt den Tatbestand des § 142 StGB nicht (OLG Köln DAR 1989, 153).

1. Schon bei geringer Distanz

 

Rz. 112

Es genügt bereits eine geringe Absetzbewegung, falls sie zu einer solchen räumlichen Trennung vom Unfallort geführt hat (KG DAR 1979, 23), dass der Unfallbeteiligte nicht mehr ohne Weiteres erreichbar ist (OLG Hamm DAR 1978, 139). Auf die Entfernung in Metern kommt es dabei nicht an (OLG Stuttgart NJW 1981, 878).

2. Nicht bei verspäteter Reaktion oder zur Vermeidung einer Verkehrsbehinderung

 

Rz. 113

Braucht ein Unfallbeteiligter infolge einer auf den Schreck zurückzuführenden späten Reaktion bei einem Unfall im Begegnungsverkehr 200–250 m bis zum Anhalten, liegt ein Sich-Entfernen nicht vor, jedenfalls dann nicht, wenn noch Ruf- und Sichtkontakt bestehen (BGH VRS 25, 259; OLG Hamm NJW 1985, 445).

Ein Entfernen liegt auch dann nicht vor, wenn der Betreffende zur Vermeidung einer Verkehrsbehinderung lediglich eine kurze Strecke zu einem geeigneten Standplatz weiterfährt (BayObLG DAR 1979, 237; OLG Köln VRS 60, 434).

3. Willentlich

 

Rz. 114

Wer ohne sein Zutun von der Unfallstelle entfernt wird, macht sich (gegen BayObLG VRS 84, 82) selbst dann nicht strafbar, wenn er von dort flüchtet und nicht mehr zur Unfallstelle zurückkehrt (OLG Köln VRS 62, 39; OLG Karlsruhe NStZ 1988, 409), denn ein willentliches Sich-Entfernen liegt nicht vor, wenn der Betroffene z.B. von der Polizei zur Blutprobe (OLG Hamm NJW 1979, 438; BayObLG NZV 1993, 35) oder zur Krankenhausbehandlung mitgenommen wurde (OLG Hamm VRS 56, 340; OLG Köln VRS 57, 406). Dasselbe gilt für den Fall, dass ein erheblich verletzter oder bewusstloser Unfallbeteiligter von Dritten in ein Krankenhaus verbracht wird (OLG Köln VRS 57, 406).

 

Rz. 115

Die h.M. verneint in solchen Fällen eine Rückkehrpflicht, d.h. die Verpflichtung, die Feststellung gem. § 142 Abs. 2 StGB nachträglich zu ermöglichen, während das BayObLG (VRS 84, 82) und der BGH (28, 129) zumindest für den Fall, dass der Betreffende noch innerhalb eines zeitlichen und räumlichen Zusammenhangs von dem Unfall erfährt, eine Rückkehrpflicht bejahen.

4. Pflichtenkollision

 

Rz. 116

§ 18 Abs. 3 StVO verbietet ein Anhalten auf der Autobahn. Die Weiterfahrt bis zur nächsten zulässigen Anhaltemöglichkeit erfüllt deshalb den Tatbestand, zumindest bei einem Unfall, bei dem nur Sachschaden entstanden ist, nicht.[15]

[15] Mitsch, NZV 2010, 225.

5. Nicht bemerkter Unfall

 

Rz. 117

Nach früherer Rechtsprechung musste auch derjenige, der erst nach (längerer) Weiterfahrt Kenntnis von seiner Unfallbeteiligung erhielt, gem. § 142 Abs. 2 StGB zum Unfallort zurückkehren (BGH VRS 55, 266; OLG Koblenz NZV 1989, 241).

Dieser weiten Auslegung ist das BVerfG jedoch mit seiner Entscheidung vom 27.3.2007 (zfs 2007, 347; NJW 2007, 1666) entgegengetreten.

 

Rz. 118

Danach ist die Auslegung des § 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB, die auch das unvorsätzliche Entfernen vom Unfallort unter diese Bestimmung subsumiert, mit dem möglichen Wortsinn der Begriffe "berechtigt und entschuldigt" nicht vereinbar und verstößt gegen das Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG.

 

Rz. 119

Problematisch an der Entscheidung des BVerfG ist indessen, dass es eine verfassungskonforme Auslegung des Abs. 1 des § 142 StGB für denkbar hält, mit der Fälle erfasst werden können, in denen der Täter nachträglich auf den Unfall hingewiesen wird und sich gleichwohl weiter von der Unfallstelle entfernt. Dabei denkt es offensichtlich an eine großzügigere Auslegung des Begriffes des Unfallortes durch die Instanzgerichte.[16]

Diesen Gedanken hat z.B. das OLG Düsseldorf (NZV 2008, 107) vom Grundsatz her aufgegriffen, wenn es auch in dem dortigen Fall im Hinblick auf die bereits vergangene Zeit von zehn Minuten bzw. auf eine entsprechend weite Fahrtstrecke keinen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang zum Unfallort mehr sah.

Der BGH ist diesen Versuchen, den Begriff des Unfallortes auszuweiten, jedoch mit seinem Beschl. v. 10.11.2010 – 4 StR 413/10 mit folgenden Ausführungen entgegengetreten:

Zitat

"Das Entfernen nicht vom Unfallort selbst, sondern von einem anderen Ort, an dem der Täter erstmals von dem Unfall erfahren hat, erfüllt nicht den Tatbestand des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB."

Auch eine Strafbarkeit nach § 142 Abs. 2 StGB scheidet aus, denn der Senat sieht entgegen einer in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Ansicht keinen Anlass, die gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung zum Begriff des Unfallortes zu modifizieren. Dieser Begriff ist nämlich in der Rechtsprechung seit Jahrzehnten geklärt. Danach ist Unfallort zunächst einmal die Stelle, an der sich der Unfall ereignet hat. Darüber hinaus wird als Unfallort – dem Normzweck des § 142 StGB entsprechend – auch noch der Bereich definiert, in dem der Unfallbeteiligte seine Pflicht, einem Berechtigten seine Unfallbeteiligung zu offenbaren, erfüllen kann oder in dem unabhängig davon, ob eine feststellungsbereite Person unter den gegebenen Umständen den Wartepflichtigen vermuten und ggf. durch Befragen ermitteln würde.“

Den Begriff des Unfallortes auf Stellen zu erweitern, die u.U. kilometerweit von der eigentl...

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