a) Meldepflicht

 

Rz. 34

Die Meldepflicht ist zu erfüllen, sobald das Hindernis wegfällt. Nach h.M. soll deshalb selbst ein Betroffener, der sich tatsächlich in einem (selten vorkommenden) schuldausschließenden Schockzustand entfernt hatte, nach Wiedererlangung der Schuldfähigkeitdie Feststellungen nachträglich ermöglichen müssen. Ob dies jedoch mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum unvorsätzlichen Entfernen vom Unfallort (zfs 2007, 347) (siehe Rdn 117 ff.) vereinbar ist, muss bezweifelt werden.

b) Unverzüglich

 

Rz. 35

Wer sich nach Erfüllung der Wartezeit bzw. berechtigt oder entschuldigt entfernt hat, bleibt straffrei, wenn er anschließend unverzüglich seiner Meldepflicht genügt (BayObLG zfs 1989, 213). Unverzüglich bedeutet nicht sofort, sondern nur "ohne schuldhaftes Zögern" (OLG Köln VRS 61, 432). Der Begriff ist nicht nach Maßgabe des § 121 Abs. 1 BGB, sondern nach fallbezogenen strafrechtlichen Kriterien zu bestimmen (BGH St 29, 141), d.h. am Schutzzweck der Norm, also nicht am öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung, sondern allein an den zivilrechtlichen Beweissicherungs- und Ersatzinteressen des Geschädigten zu orientieren (OLG Köln NZV 1989, 357).

 

Rz. 36

Die Bestimmung hat sich an dem Schutzzweck der Norm, also nicht am öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung, sondern allein an den zivilrechtlichen Beweissicherungs- und Ersatzinteressen zu orientieren (OLG Köln NZV 1989, 357).

 

Rz. 37

Die Umstände des Einzelfalles, vor allem Art und Zeit des Unfalls, Höhe des Schadens und die Aufklärungsbedürftigkeit der zivilrechtlichen Haftung, spielen für die Beurteilung der Unverzüglichkeit die entscheidende Rolle, z.B. erfordern Personen- oder hohe Sachschäden sowie eine ungeklärte Schuldfrage ein schnelleres Handeln als ein geringer Sachschaden bei eindeutiger Ersatzpflicht (OLG Köln VRS 60, 434; DAR 1994, 204; LG Zweibrücken zfs 1998, 72).

c) Wahlrecht des Schädigers

 

Rz. 38

Der Schädiger hat die Wahl, ob er den Geschädigten selbst oder die Polizei informiert. Die Meldung bei der Polizei ist erst dann erforderlich, wenn der Geschädigte nicht mehr unverzüglich informiert werden kann (BGH zfs 1980, 157; OLG Hamm NZV 2003, 424).

d) Art der Meldung

 

Rz. 39

Die Wahl der Mittel bleibt dem Unfallbeteiligten überlassen. Er kann den Geschädigten in der Wohnung oder in den Geschäftsräumen aufsuchen. Er kann ihn auch telefonisch oder schriftlich oder gar durch zuverlässig erscheinende Dritte informieren (OLG Köln NZV 1989, 357; BayObLG bei Rüth, DAR 1986, 244).

 

Rz. 40

 

Taktik

Diese Aufgabe kann selbstverständlich auch der Verteidiger übernehmen. Eine Meldung durch den Anwalt ist immer dann ratsam, wenn mit weiteren Ermittlungen der Polizei zu rechnen ist, denn der Anwalt kann sich – anders als ein sonstiger Dritter – auf seine Schweigepflicht berufen, wenn es "kritisch" wird.

e) Beispiele für Unverzüglichkeit

aa) Nächtlicher Unfall

 

Rz. 41

Bei einem nächtlichen Sachschaden genügt grundsätzlich eine Meldung am nächsten Morgen (OLG Zweibrücken DAR 1991, 352; OLG Hamm NZV 2003, 424).

 

Rz. 42

I.d.R. genügt eine Meldung bis ca. 9.30 Uhr, so z.B. bei einem Schaden an einem Leitungsmast von 4.000 DM (OLG Stuttgart VRS 65, 202), bei einem Schaden an einer Straßenbaustelle von 2.500 DM (OLG Frankfurt VM 83, 79), Schäden an Leitplanken von 1.500 DM (OLG Hamm VRS 81, 263), bei einem an einem geparkten Fahrzeug entstandenen Schaden von mehr als 6.500 DM (OLG Köln DAR 1989, 352).

 

Rz. 43

Bei Schäden von nicht mehr als 1.800 DM lässt das OLG Stuttgart (VRS 60, 300) gar eine Meldung um 11.15 Uhr noch ausreichen.

bb) Meldung am nächsten Werktag

 

Rz. 44

Handelt es sich bei der Geschädigten um eine Behörde (Schäden an Leitplanken oder Verkehrsschildern) und ereignet sich der Unfall an einem Sonn- oder Feiertag, müsste (gegen BayObLG bei Rüth, DAR 1982, 249) eine Meldung am frühen Morgen des folgenden Werktages noch unverzüglich sein und damit ausreichen.

cc) Meldung am gleichen Tag

 

Rz. 45

Das OLG Köln (zfs 1992, 67) verlangt bei einem um 18.45 Uhr stattfindenden Unfall eine Meldung noch am selben Abend. Dies dürfte – zumindest, wenn nur Sachschäden eingetreten sind – eine zu enge Auslegung des Unverzüglichkeitsgebotes sein. Das Gleiche gilt für die vom BGH vorgenommene Auslegung des Unverzüglichkeitsgebotes bei nächtlichen Unfällen (zfs 1980, 157). Zu Recht weichen in diesem Punkt zwischenzeitlich fast alle Oberlandesgerichte von der Entscheidung des BGH ab.

 

Rz. 46

 

Tipp: Versuch nicht strafbar

Wird der Unfallbeteiligte noch während laufender Unverzüglichkeitsfrist ohne eigenes Zutun durch Dritte (z.B. den Geschädigten oder die Polizei) ermittelt, so dass die erforderlichen Feststellungen getroffen werden können, bleibt er auch dann straffrei, wenn er sich gar nicht hatte melden wollen. Es handelt sich dann lediglich um einen straflosen untauglichen Versuch (BayObLG bei Rüth, DAR 1979, 237).

 

Rz. 47

 

Achtung

Anderes gilt, wenn der zur Rede gestellte Unfallfahrer seine Beteiligung leugnet (OLG Zweibrücken DAR 1991, 352).

f) Freiwilligkeit nicht erforderlich

 

Rz. 48

Es spielt – anders als bei § 142 Abs. 4 StGB – hier keine Rolle, ob der Unfallfahrer freiwillig oder unter Druck seiner nachträglichen Meldepflicht nachkommt. Ist die Meldung unverzüglich erfolgt, ist der ...

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