Rz. 117

Nach früherer Rechtsprechung musste auch derjenige, der erst nach (längerer) Weiterfahrt Kenntnis von seiner Unfallbeteiligung erhielt, gem. § 142 Abs. 2 StGB zum Unfallort zurückkehren (BGH VRS 55, 266; OLG Koblenz NZV 1989, 241).

Dieser weiten Auslegung ist das BVerfG jedoch mit seiner Entscheidung vom 27.3.2007 (zfs 2007, 347; NJW 2007, 1666) entgegengetreten.

 

Rz. 118

Danach ist die Auslegung des § 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB, die auch das unvorsätzliche Entfernen vom Unfallort unter diese Bestimmung subsumiert, mit dem möglichen Wortsinn der Begriffe "berechtigt und entschuldigt" nicht vereinbar und verstößt gegen das Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG.

 

Rz. 119

Problematisch an der Entscheidung des BVerfG ist indessen, dass es eine verfassungskonforme Auslegung des Abs. 1 des § 142 StGB für denkbar hält, mit der Fälle erfasst werden können, in denen der Täter nachträglich auf den Unfall hingewiesen wird und sich gleichwohl weiter von der Unfallstelle entfernt. Dabei denkt es offensichtlich an eine großzügigere Auslegung des Begriffes des Unfallortes durch die Instanzgerichte.[16]

Diesen Gedanken hat z.B. das OLG Düsseldorf (NZV 2008, 107) vom Grundsatz her aufgegriffen, wenn es auch in dem dortigen Fall im Hinblick auf die bereits vergangene Zeit von zehn Minuten bzw. auf eine entsprechend weite Fahrtstrecke keinen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang zum Unfallort mehr sah.

Der BGH ist diesen Versuchen, den Begriff des Unfallortes auszuweiten, jedoch mit seinem Beschl. v. 10.11.2010 – 4 StR 413/10 mit folgenden Ausführungen entgegengetreten:

Zitat

"Das Entfernen nicht vom Unfallort selbst, sondern von einem anderen Ort, an dem der Täter erstmals von dem Unfall erfahren hat, erfüllt nicht den Tatbestand des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB."

Auch eine Strafbarkeit nach § 142 Abs. 2 StGB scheidet aus, denn der Senat sieht entgegen einer in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Ansicht keinen Anlass, die gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung zum Begriff des Unfallortes zu modifizieren. Dieser Begriff ist nämlich in der Rechtsprechung seit Jahrzehnten geklärt. Danach ist Unfallort zunächst einmal die Stelle, an der sich der Unfall ereignet hat. Darüber hinaus wird als Unfallort – dem Normzweck des § 142 StGB entsprechend – auch noch der Bereich definiert, in dem der Unfallbeteiligte seine Pflicht, einem Berechtigten seine Unfallbeteiligung zu offenbaren, erfüllen kann oder in dem unabhängig davon, ob eine feststellungsbereite Person unter den gegebenen Umständen den Wartepflichtigen vermuten und ggf. durch Befragen ermitteln würde.“

Den Begriff des Unfallortes auf Stellen zu erweitern, die u.U. kilometerweit von der eigentlichen Schadensstelle entfernt liegen, würde nur seinerseits wiederum die Frage nach der Wortlautgrenze aufwerfen[17] und ist abzulehnen (OLG Hamburg NZV 2009, 301).[18]

[16] Laschewski, NZV 2007, 444.
[17] Jahn, JuS 2007, 689.
[18] Siehe zum Problem auch Rittig, NZV 2012, 561.

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