Rz. 1298

Trotz Wahrung der Selbstständigkeit des Betriebes und seines Standortes kann nach § 111 S. 3 Nr. 4 BetrVG eine Betriebsänderung vorliegen, wenn der Betriebszweck grundlegend geändert wird. Mit "Betriebszwecks" ist nicht der wirtschaftliche, sondern der konkrete arbeitstechnische Zweck, der mit den betrieblichen Arbeitsprozessen verfolgt wird, gemeint (BAG v. 17.12.1985, NZA 1986, 804 = DB 1986, 2085). Es kommt darauf an, "wie" die Einnahmen erzielt werden, z.B. wenn Aufgaben, die bisher Mitarbeiter des Betriebs wahrgenommen haben, an freie Handelsvertreter übertragen werden (BAG v. 23.9.2003, AP BetrVG 1972 § 113 Nr. 43; BAG v. 8.6.1999, AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 47). Im Bereich der Dienstleistungsbetriebe ändert sich der Betriebszweck, wenn andere als die bisher angebotenen Dienstleistungen angeboten werden sollen. Der Betriebszweck kann sich dadurch ändern, dass dem Betrieb eine weitere Abteilung mit einem weiteren arbeitstechnischen Betriebszweck hinzugefügt wird (Uhlenbruck/Berscheid, §§ 121, 122 InsO Rn 50).

 

Rz. 1299

 

Beispiel

Eine Spielbank führt neben dem herkömmlichen Glücksspiel an Spieltischen, dem sog. Spiel nach Art "Monte Carlo", in einem besonderen Saal mit eigenem Zugang, das Spiel an Automaten, das sog. Spiel nach Art "Las Vegas", ein (BAG v. 17.12.1985, NZA 1986, 804 = DB 1986, 2085).

 

Rz. 1300

Nicht jede Änderung des Betriebszwecks kann als "grundlegend" angesehen werden. Wird in einer Automobilfabrik z.B. ein neuer Personenwagentyp hergestellt, so ist die Änderung zwar erheblich, aber nicht grundlegend. Anders dürfte es sein, wenn von der Pkw-Produktion auf Lkw-Produktion umgestellt wird, da diese Umstellung eine völlig andere Arbeitsweise an den Bandstraßen nach sich zieht (BAG v. 25.10.1983 – 1 AZR 225/82; Uhlenbruck/Berscheid, §§ 121, 122 InsO Rn 51).

 

Rz. 1301

Im umgekehrten Fall reicht für eine grundlegende Änderung des Betriebszwecks in einem Produktionsbetrieb auch der Wegfall einer oder mehrerer Produktpaletten jedenfalls dann nicht aus, wenn in den einzelnen Produkten kein jeweils gesondert verfolgter Teilbetriebszweck erblickt werden kann (s. zur teilweisen Aufgabe des mit dem Betrieb verfolgten Zwecks LAG Nürnberg v. 23.11.1977, ARST 1979, 14).

 

Rz. 1302

 

Beispiel

Werden in einem Schlachthof, in dem bislang Pferde, Rinder, Kälber, Ziegen, Schafe und Schweine geschlachtet wurden, künftig nur noch Schweine geschlachtet, so liegt darin keine grundlegende Änderung des Betriebszwecks (BAG v. 28.4.1993 – 10 AZR 38/92, NZA 1993, 1142 = EzA § 111 BetrVG 1972 Nr. 28).

 

Rz. 1303

Wird ein Betrieb von vornherein nur zur Erledigung einer begrenzten Aufgabe innerhalb absehbarer Zeit gegründet – hier Verwertung von vorhandenem unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Material durch den Gläubiger eines in Konkurs gegangenen und stillgelegten Betriebes – so stellt die Schließung des Betriebes nach Erreichung des Betriebszwecks keine mitbestimmungspflichtige Betriebsänderung dar (LAG Hamm v. 1.2.1977 – 3 Ta BV 38/76, BB 1977, 695 = DB 1977, 1099; ebenso LAG München v. 15.2.1989 – 7 TaBV 34/88, LAGE § 111 BetrVG 1972 Nr. 9 = NZA 1990, 288).

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