Rz. 790

Die Errichtung eines Konzernbetriebsrates ist gem. § 54 Abs. 1 S. 1 BetrVG fakultativ. Hieran hat sich entgegen ursprünglicher Vorstellungen im Gesetzgebungsverfahren zur BetrVG-Reform 2001 – außer der Herabsetzung des erforderlichen Quorums – nichts geändert. Voraussetzungen sind das Bestehen eines Konzerns und entsprechende Beschlüsse des Gesamtbetriebsrates. Wegen der Verweisung auf § 18 Abs. 1 AktG kann ein Konzernbetriebsrat nur bei einem sog. Unterordnungskonzern gebildet werden, nicht aber bei einem sog. Gleichordnungskonzern. Dies setzt das Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses und die tatsächliche Beherrschung des abhängigen Unternehmens durch das herrschende Unternehmen voraus (BAG v. 11.2.2015 – 7 ABR 98/12, juris). Unternehmen im konzernrechtlichen Sinn kann auch eine natürliche Person sein, wenn diese ihre unternehmerischen Interessen bei mehreren selbstständigen Unternehmen als Allein- oder Mehrheitsgesellschafter verfolgen kann (BAG v. 22.11.1995 – 7 ABR 9/95, juris). Entscheidend ist, dass die Konzernleitungsmacht tatsächlich faktisch besteht. Sitzt die Konzernobergesellschaft im Ausland, kann ein Konzernbetriebsrat nicht gebildet werden (BAG v. 23.5.2018 – 7 ABR 60/16, juris).

 

Rz. 791

Fraglich ist, ob ein Konzernbetriebsrat dann gebildet werden kann, wenn die ausländische Muttergesellschaft eine in Deutschland ansässige Leitung mit der Kompetenz zur Führung der in Deutschland gelegenen Unternehmen eingerichtet hat (so ausführlich mit Ablehnung der BAG-Rechtsprechung Fitting, § 54 Rn 34 ff.; GK/Franzen, § 54 Rn 49; LAG Nürnberg v. 21.6.2021 – 1 TaBV 11/21, juris; LAG Hessen v. 20.5.2019 – 16 TaBV 227/18, juris).

 

Rz. 792

Ein Konzernbetriebsrat kann auch in einem mehrstufigen Konzern gebildet werden, etwa wenn das herrschende Unternehmen von seiner Leitungsmacht nur teilweise Gebrauch macht und wesentliche Befugnisse der Führung einer "Enkel"-Gesellschaft einer Tochtergesellschaft überlässt (Fitting, § 54 Rn 32 f.). Dann bestehen mehrere Konzernbetriebsräte.

 

Rz. 793

Sind mehrere Gesellschafter an mehreren Unternehmen paritätisch beteiligt, sodass sie die Gemeinschaftsunternehmen nur gemeinsam beherrschen können, kommt die Bildung eines Konzernbetriebsrates bei der gesamten Unternehmensgruppe nicht in Betracht (BAG v. 13.10.2004 – 7 ABR 56/03, juris). Allerdings können ein oder mehrere Gemeinschaftsunternehmen, an denen zwei Unternehmen zu jeweils 50 % beteiligt sind, dabei auch von mehreren gleichgeordneten herrschenden Unternehmen abhängig sein, das heißt in einem Abhängigkeitsverhältnis zu jedem der herrschenden Unternehmen stehen (mehrfache Abhängigkeit von mehreren Mutterunternehmen). Voraussetzung ist, dass die Einflussmöglichkeiten der verschiedenen Herrschaftsträger koordiniert sind, was sich aus vertraglichen oder organisatorischen Bindungen, aber auch aus rechtlichen und tatsächlichen Umständen sonstiger Art ergeben kann (BAG v. 11.2.2015 – 7 ABR 98/12, juris).

 

Rz. 794

 

Hinweis

Von einem abhängigen Unternehmen wird nach § 18 Abs. 1 S. 3 AktG vermutet, dass es mit dem herrschenden Unternehmen einen Konzern bildet. Um diese Vermutung zu widerlegen, müssen ohne Rücksicht auf die Abhängigkeit des untergeordneten Unternehmens Tatsachen festgestellt werden, aus denen sich ergibt, dass herrschendes und abhängiges Unternehmen nicht einheitlich geleitet werden. Dazu muss für alle wesentlichen Bereiche der Unternehmenspolitik nachgewiesen werden, dass die Unternehmensentscheidungen ohne beherrschende Einflussnahme der Mehrheitsgesellschaft getroffen werden (BAG v. 15.12.2011 – 7 ABR 56/10, juris). Von einem in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen wird nach § 17 Abs. 2 AktG vermutet, dass es von dem an ihm mit Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig ist (BAG v. 11.2.2015 – 7 ABR 98/12, juris). Um die Vermutung nach § 17 Abs. 2 AktG und nach § 18 Abs. 1 S. 2 AktG zu widerlegen, muss feststehen, dass das herrschende Unternehmen die Mittel, die die Ausübung einheitlicher Leitung ermöglichen, nicht zu diesem Zweck einsetzt und dass die Bereiche, in denen die einheitliche Leitung üblicherweise sichtbar wird, ausschließlich und nachhaltig entsprechend dem uneingeschränkten Eigeninteresse des abhängigen Unternehmens gesteuert werden (LAG Köln v. 2.6.2017 – 4 TaBV 71/16, juris).

 

Rz. 795

Weitere Voraussetzung ist, dass in dem oder in den konzernabhängigen Unternehmen, dessen Gesamtbetriebsrat oder deren Gesamtbetriebsräte den Konzernbetriebsrat errichten wollen, gem. § 54 Abs. 1 S. 2 BetrVG mindestens 50 % der Arbeitnehmer beschäftigt werden. Bei dieser Bezugsgröße ist auf die Zahl der in inländischen Betrieben beschäftigten Arbeitnehmer aller Konzernunternehmen abzustellen (BAG v. 29.7.2020 – 7 ABR 27/19, juris), unabhängig davon, inwieweit dort überhaupt Betriebsräte oder Gesamtbetriebsräte bestehen; bestehen also in einem Teil der Konzernunternehmen keine Betriebs- oder Gesamtbetriebsräte, kann die Errichtung eines Konzernbetriebsrates unter Umständen allein schon an diesem Quorum scheitern ...

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