Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Widerlegung der Konzernvermutung gemäß § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG

 

Leitsatz (amtlich)

Um die Vermutung des § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG zu widerlegen, ist der Nachweis erforderlich, dass trotz eines beherrschenden Einflusses keine Zusammenfassung unter einheitlicher Leitung besteht. Dazu muss für alle wesentlichen Bereiche der Unternehmenspolitik nachgewiesen werden, dass die Unternehmensentscheidungen ohne beherrschende Einflussnahme der Mehrheitsgesellschaft getroffen werden (Anschluss an BAG, Beschluss vom 15. Dezember 2011 - 7 ABR 56/10 -, Rn. 52, [...]).

Um die Konzernvermutung zu widerlegen, muss feststehen, dass das herrschende Unternehmen die Mittel, die die Ausübung einheitlicher Leitung ermöglichen, nicht zu diesem Zweck einsetzt und dass die Bereiche, in denen die einheitliche Leitung üblicherweise sichtbar wird, ausschließlich und nachhaltig entsprechend dem uneingeschränkten Eigeninteresse des abhängigen Unternehmens gesteuert werden. Dabei schließen vereinzelte Einflussnahmen des herrschenden Unternehmens es nicht aus, dass die Konzernvermutung widerlegt ist. Zur Widerlegung eines beherrschenden Einflusses kommen insbesondere Satzungsregelungen, eine Stimmrechtsbeschränkung aufgrund eines Stimmbindungsvertrages mit einem vom Mehrheitsaktionär unabhängigen Dritten oder ein Entherrschungsvertrag in Betracht. Entscheidend ist stets eine Gesamtschau aller Umstände (Anschluss an BAG, Beschluss vom 11. Februar 2015 - 7 ABR 98/12 -, Rn. 25, [...]).

Der Versuch einer Widerlegung der Konzernvermutung des § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG hat in erster Linie bei den einzelnen Indizien anzusetzen, die typischerweise auf das Vorliegen einheitlicher Leitung hindeuten (wie OLG Düsseldorf, Urteil vom 04. Juli 2013 - I-26 W 13/08, Rn. 22, [...]).

In Anbetracht der Tatsache, dass Leitung in diesem Sinne kein durchsetzbares Weisungsrecht voraussetzt, sondern dass die vielfältigen Mittel der faktischen Veranlassung insoweit ausreichen, ist es nicht möglich, in Fallgestaltungen, in denen enge personelle Verflechtungen zwischen dem Vorstand des herrschenden Unternehmens und dem Aufsichtsrat des beherrschten Unternehmens bestehen, die Konzernvermutung zu widerlegen.

 

Normenkette

AktG § 18 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Entscheidung vom 06.09.2016; Aktenzeichen 7 BV 34/16)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) bis 3) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 06.09.2016 - 7 BV 34/16 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Errichtung des Beteiligten zu 4). Dieser ist der von den Beteiligten zu 5), bei dem es sich um den bei dem Beteiligten zu 1) bestehenden Betriebsrat handelt, und dem Beteiligten zu 6), dem bei der Beteiligten zu 2) gebildeten Betriebsrat, gebildete "Konzernbetriebsrat L B e.V.".

Der Beteiligte zu 1) ist ein gemeinnütziger Verein, der er sich zur Aufgabe gemacht hat, geistig behinderten Menschen in ihrem Lebensalltag zu helfen und diese umfassend zu unterstützen und zu begleiten. Vertreten wird der Beteiligte zu 1) durch einen Vorstand, der aus fünf Vorstandsmitgliedern besteht. Die Führung der laufenden Geschäfte des Beteiligten zu 1) obliegt einem Geschäftsführer. Bei der Beteiligten zu 2) handelt es sich um eine Einrichtung des Beteiligten zu 1) nach § 142 SGB IX. Geschäftsführer der Beteiligten zu 2) ist Herr A H . Ein hoher Anteil der Werkstattmitglieder der Beteiligten zu 2) wohnt in Wohnheimen des Beteiligten zu 1). Die sozialen Leistungen dieser beiden Beteiligten richten sich an den gleichen Kreis von Menschen mit Behinderungen.

Der bei der Beteiligten zu 2) gebildete Aufsichtsrat bestand zunächst aus fünf Mitgliedern. Bis zur Neuwahl des Vorstands des Beteiligten zu 1) waren drei seiner fünf Mitglieder zugleich Mitglieder des Aufsichtsrats der Beteiligten zu 2). Nach der Neuwahl traf dies zunächst auf zwei der Vorstandsmitglieder des Beteiligten zu 1) zu. In der Folgezeit wurde die Mitgliederzahl des Aufsichtsrats der Beteiligten zu 2) auf sechs erhöht. Seither gehören diesem wieder drei Vorstandsmitglieder des Beteiligten zu 1) an.

Die Beteiligte zu 3) ist als gemeinnützige GmbH organisiert und überwiegend für die ambulanten Dienste des Beteiligten zu 1) zuständig. Geschäftsführer der Beteiligten zu 3) ist ebenfalls Herr An K , der Geschäftsführer des Beteiligten zu 1).

Der Beteiligte zu 1) ist alleiniger Gesellschafter der Beteiligten zu 3). Der Beteiligte zu 1) ist ferner mit einem Geschäftsanteil von 2,925 Mio. EUR an dem insgesamt 3 Mio. EUR betragenden Stammkapital der Beteiligten zu 2) beteiligt. Einen weiteren Geschäftsanteil von 75.000,00 EUR hält eine aus fünf Personen bestehende Erbengemeinschaft.

Ausweislich des Gesellschaftsvertrages (vgl. Bl. 95 ff. GA) sind die Gesellschafterversammlung, der Aufsichtsrat sowie der Geschäftsführer die für die Beteiligte zu 2) handelnden Organe. Gemäß § 8 Abs. 8 des Gesellschaftsvertrags hat die Gesellschafterversammlung in...

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