Rz. 275

Befinden sich unter den so ermittelten Gewählten nicht ausreichend Angehörige des Geschlechtes in der Minderheit, ist nach § 15 Abs. 5 WO wie folgt vorzugehen:

Zunächst wird geprüft, welche Liste nach der Höchstzahlenverteilung den letzten Betriebsratssitz erhalten hat (z.B. bei neunköpfigem Betriebsrat: auf welche Liste die neunthöchste Zahl entfallen war); bei dieser Liste muss korrigiert werden, und zwar unabhängig davon, ob diesen letzten Sitz eine Frau oder ein Mann innehatte. Insoweit ist nicht eindeutig, ob sich der Relativsatz des § 15 Abs. 5 Nr. 1 WO auf die Liste, die zum Tausch verpflichtet ist, oder darauf bezieht, dass auf dem letzten Sitz, den die Liste erhalten hat, zufälligerweise eine Person des Mehrheitsgeschlechts befindet, so dass dann eine andere Liste mit einer höheren Höchstzahl tauschen müsste (so GK/Jacobs, § 15 WO Rn 8; DKW/Homburg, § 15 WO Rn 6). Letzteres ist wegen des zufälligen Ergebnisses abzulehnen. Die Liste, die den letzten Sitz erhalten hat, muss tauschen, ansonsten würde der Wählerwille durch dieses zufällige Ergebnis noch weiter verfälscht. Zudem haben es die Listenaufsteller in der Hand, durch Aufnahme von genügend Bewerbern des Geschlechts in der Minderheit dafür zu sorgen, dass ihre Liste keinen Sitz verlieren kann.
Steht fest, welche Liste tauschen muss, muss der Bewerber/die Bewerberin aus dieser Liste weichen, der/die dem Mehrheitsgeschlecht angehört, selbst wenn er/sie eigentlich durch einen höheren Listenplatz weit oben in den Betriebsrat eingerückt wäre. Er/Sie wird erstes Ersatzmitglied auf der eigenen Liste. An seiner/ihrer Stelle rückt die am weitesten oben auf dieser Liste stehende Person, die dem Minderheitengeschlecht angehört, in den Betriebsrat ein (auch wenn sie hierbei mehrere Personen des Mehrheitsgeschlechts "überspringt").
Steht auf dieser Liste mit der letzten berücksichtigten Höchstzahl kein Angehöriger des Mehrheitsgeschlechtes, dann wird nach der Liste mit der zweitniedrigsten bei der Verteilung noch berücksichtigten Höchstzahl gesucht; der Tausch muss dann entsprechend Spiegelstrich 1 und 2 auf dieser Liste stattfinden.
Befindet sich auf der Liste, die zu tauschen hat, unter den weiteren Bewerbern, die nicht in den Betriebsrat eingezogen sind, kein Angehöriger des Minderheitengeschlechtes, dann muss der letzte Bewerber des Mehrheitsgeschlechtes dieser Liste trotzdem ausscheiden (und wird erstes Ersatzmitglied für diese Liste): Die Liste verliert ihren Sitz an eine andere Liste, die solche Bewerber des Minderheitengeschlechtes noch aufweist.
Zur Lösung der Frage, welche von mehreren anderen Listen diesen Sitz hinzubekommt, muss festgestellt werden, welche Liste mit der nächsten Höchstzahl für einen Betriebsratssitz in Betracht gekommen wäre, auf die z.B. bei neun Betriebsratssitzen die zehnthöchste Höchstzahl entfällt. Diese Liste erhält den Sitz des Geschlechtes in der Minderheit (entfällt diese Höchstzahl auf mehrere Listen, muss wieder das Los entscheiden). Es rückt – unabhängig von ihrem tatsächlichen Platz auf dieser Liste – diejenige Person des Minderheitsgeschlechtes in den Betriebsrat ein, die von den eigentlich nicht in den Betriebsrat eingezogenen Bewerbern auf dieser Liste am weitesten vorn steht.
Befinden sich nach Durchführung dieses Verfahrens immer noch nicht genügend Angehörige des Geschlechtes in der Minderheit im Betriebsrat, muss das Verfahren fortgesetzt werden: Es ist jetzt die zweitniedrigste (vorletzte) Höchstzahl zu suchen, die für einen Betriebsratssitz ausgereicht hat. Die Liste, die den Sitz mit dieser Höchstzahl erhalten hat, muss nunmehr innerhalb der Liste tauschen (der am weitesten vorn stehende Bewerber des Minderheitsgeschlechtes rückt in den Betriebsrat ein, der letzte berücksichtigte Bewerber des Mehrheitsgeschlechtes muss für ihn weichen und wird erstes Ersatzmitglied). Enthält diese Liste keinen nicht berücksichtigten Bewerber des Minderheitsgeschlechtes mehr, verliert sie ihren Sitz an die Liste mit der nächsten bisher nicht berücksichtigten Höchstzahl.
Das Verfahren ist so lange fortzusetzen, bis das Minderheitsgeschlecht alle ihm zustehenden Sitze erhalten hat.
Führt der Schutz des Minderheitengeschlechts zu einem Listensprung, dann muss dieser rückgängig gemacht werden, wenn sich durch die Nichtannahme der Wahl eines Kandidaten herausstellt, dass es eines Listensprungs letztlich nicht bedurft hätte (LAG Niedersachsen v. 10.3.2011 – 5 TaBV 96/10, juris).
Verfügt keine Vorschlagsliste mehr über Angehörige des Minderheitsgeschlechtes, verbleibt der Sitz bei derjenigen Liste, die als letzte den Sitz hätte abgeben müssen. In diesem Fall kann die Minderheitenquote nicht erfüllt werden; der Sitz geht nicht verloren, sondern verbleibt bei Bewerbern des Mehrheitsgeschlechts.
 

Rz. 276

 

Beispiel

Betrieb mit 144 Frauen, 90 Männern (alle "regelmäßig" beschäftigt, daher neun BR-Mitglieder)

 
  Liste A: 90 Stimmen Liste B 65 Stimmen Liste C 40 Stimmen Liste D 19 Stimmen
: 1 90 65 40 19
: 2 45 32,5 20 9,5

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