Rz. 125

Ein Sonderproblem ergibt sich, wenn sich der Wahlbereich ändern soll. Denkbar sind folgende Fall-Konstellationen:

Fall (1): Der Wahlvorstand stellt fest, dass ein bisher zugeordneter Betriebsteil wegen der nunmehr vorliegenden Verselbstständigung einen eigenen Betriebsrat wählen müsste.
Fall (2): Der Wahlvorstand meint, ein bisher als selbstständig (oder räumlich weit entfernt) angesehener Betriebsteil müsste mitwählen.
Fall (3): Der Arbeitgeber behauptet, aufgrund einer Betriebsänderung müsse ein bisher zugeordneter Betriebsteil selbstständig wählen und dürfe nicht mitwählen.
Fall (4): Der Arbeitgeber behauptet, ein Betriebsteil zähle – anders als bei der vorherigen Wahl – zum Wahlbereich.
 

Rz. 126

Im Fall (1) ist es dem Wahlvorstand unbenommen, den betreffenden Organisationsbereich außen vor zu lassen. Ob und inwieweit dieser Betriebsteil seinen Betriebsrat bekommt, ist dann nicht Sache dieses Wahlvorstandes (ist der Betriebsrat noch im Amt, könnte er dann – weil bisher zuständig – für diesen Betriebsteil einen eigenen Wahlvorstand bestellen). Ein Problem entsteht dann, wenn in den Wahlvorstand stimmberechtigte Mitglieder bestellt sind, die aus diesem Organisationsbereich stammen. Dann sind sie für die Betriebsratswahl, für die sich der Wahlvorstand für zuständig hält, nicht "Wahlberechtigte". Legt ein solches Wahlvorstandsmitglied sein Amt nieder, rückt ein entsprechendes Ersatzmitglied nach. Ist kein Ersatzmitglied vorhanden – eine automatische Reduzierung der Wahlvorstandsgröße ist nicht möglich –, dann kann der Betriebsrat, soweit er noch im Amt ist, entsprechende Personen nachwählen. Tritt das Wahlvorstandsmitglied nicht zurück, so ist die mit ihm durchgeführte Wahl wegen nicht ordnungsgemäßer Besetzung des Wahlvorstandes anfechtbar, selbst wenn alle Beschlüsse einstimmig erfolgt sein sollten – ein anderes Mitglied hätte den Wahlvorstand ja u.U. überzeugen können, andere Beschlüsse zu fassen. Weigert sich das – nach Auffassung des Wahlvorstandes nicht stimmberechtigte – Mitglied zurückzutreten, können Arbeitgeber, Betriebsrat, im Betrieb vertretene Gewerkschaft oder die Mehrheit des Wahlvorstandes dieses Mitglied mit einstweiliger Verfügung durch das ArbG von seinem Amt entbinden lassen bzw. durch einstweilige Verfügung einen neuen Wahlvorstand bestimmen lassen (die Möglichkeit zur einstweiligen Verfügung ist strittig, aber im Hinblick auf effektiven Rechtsschutz geboten: schließlich droht einen betriebsratslose Zeit. Nach a.A. muss der Fehler im Wahlanfechtungsverfahren geklärt werden und eine Neubestellung durch das ArbG im Hauptsacheverfahren erfolgen). Solange der Wahlvorstand nicht beschlussfähig ist, kann er keine weiteren Handlungen vornehmen.

 

Rz. 127

Im Fall (2) kann der Wahlvorstand diesen Bereich ohne Probleme in den von ihm für maßgeblich gehaltenen Wahlbereich einbeziehen. Ein Problem entsteht nur dann, wenn im betroffenen Betriebsteil bereits ein Betriebsrat besteht oder ein eigener Wahlvorstand eingerichtet ist. Der Wahlvorstand kann die Amtszeit eines bestehenden Betriebsrates keinesfalls beenden oder verkürzen. Bezieht er die Arbeitnehmer dieses Betriebsteiles dennoch in seinen Wahlbereich ein, kommt es zum Nebeneinander zweier Betriebsräte, die überschneidend einen Teil der Arbeitnehmer repräsentieren. Es versteht sich von selbst, dass in einer solchen Konstellation eine der beiden Wahlen anfechtbar sein muss. Letztlich bleibt Arbeitgeber und Betriebsrat, entsprechend § 19 Abs. 2 BetrVG auch drei betroffenen Arbeitnehmern aus dem Überschneidungsbereich, in einer solchen Konstellation die Möglichkeit, dem Wahlvorstand per einstweiliger Verfügung die Festlegung eines bestimmten Wahlbereiches (etwa die Nichteinbeziehung eines Betriebsteiles) vorschreiben zu lassen. Es ist keinem der Beteiligten zumutbar, auf die rechtskräftige Entscheidung eines Wahlanfechtungsverfahrens zu warten, zumal in dieser Konstellation für die Mitarbeiter dieses Teilbereiches zwei Betriebsratsgremien die Zuständigkeit für sich beanspruchen (sehr str.).

 

Rz. 128

In den Fällen (3) und (4) bleibt dem Arbeitgeber ebenfalls nur die Anfechtung oder die einstweilige Verfügung, mit der er dem Wahlvorstand die Beschränkung auf einen bestimmten Wahlbereich – häufig verbunden mit der geringeren Betriebsratsgröße – oder die Einbeziehung eines solchen vorschreiben lässt. Der Abschluss einer Betriebsvereinbarung hierüber – etwa in einem Interessenausgleich – hilft nicht, weil nach § 3 BetrVG in aller Regel die Kompetenz hierzu fehlen wird (Ausnahme § 3 Abs. 2 BetrVG).

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