Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschlussverfahren. Einstweilige Verfügung. Untersuchungsgrundsatz

 

Leitsatz (amtlich)

1. Entscheidungen des Wahlvorstandes können im Wege einstweiliger Verfügung vor den Arbeitsgerichten angegriffen werden, wenn schwerwiegende Mängel vorliegen, die mit größter Wahrscheinlichkeit zur Anfechtbarkeit der Wahl führen würden.

2. Ein solcher Verstoß kann auch in der fehlerhaften Annahme eines gemeinsamen Betriebs mehrerer Unternehmen oder in der fehlerhaften Bestellung des Wahlvorstandes liegen.

3. Zwar gilt auch für das Verfügungsverfahren grundsätzlich der Untersuchungsgrundsatz. Dieser ist allerdings im Hinblick auf das mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung verfolgte Ziel, effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, eingeschränkt. Es hat eine Abwägung stattzufinden, die einerseits den Aufwand der nötigen Ermittlungen, andererseits die Eilbedürftigkeit der beantragten Maßnahme und die Schwere der mit Erlass oder Nichterlass der einstweiligen Verfügung befürchteten Nachteile für die Beteiligten berücksichtigt.

4. Steht die Verkennung des Betriebsbegriffs durch den Wahlvorstand nicht mit größter Wahrscheinlichkeit fest, so haben die Unternehmen, die nach Ansicht des Wahlvorstands einen gemeinsamen Betrieb führen, die benötigten Auskünfte zur Erstellung der Wählerliste zu geben.

 

Normenkette

BetrVG § 1 Abs. 2; WO-BetrVG § 2 Abs. 2; BetrVG § 21a; ArbGG § 83 Abs. 1 S. 1, § 85 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Weiden (Beschluss vom 13.12.2010; Aktenzeichen 4 BVGa 13/10)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2. bis 4. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Weiden vom 13.12.2010, Az.: 4 BVGa 13/10, wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über die Pflicht mehrerer Unternehmen, an einen zur Abhaltung der Betriebsratswahl gebildeten Wahlvorstand Listen der im Betrieb Beschäftigten herauszugeben.

Im von der Beteiligten zu 2.) geführten Betrieb in F. wurde im März 2010, ausgehend von einer Beschäftigtenzahl von gut 90 Arbeitnehmern, ein fünfköpfiger Betriebsrat gewählt. In der Folge fanden bei der Beteiligten zu 2.) Umstrukturierungen statt. Ein Teil der Produktion wurde ins Ausland verlagert, zwei Teile wurden auf die neu gegründeten Beteiligten zu 3.) und 4.) übertragen. Nach der zum 30.06.2010 abgeschlossenen Umstrukturierung waren bei der Beteiligten zu 2.) – der ursprünglichen Betriebsinhaberin – etwa 20 bis 30 Arbeitnehmer, bei der Beteiligten zu 3.) etwa 8 Arbeitnehmer und bei der Beteiligten zu 4.) etwa 20 Arbeitnehmer beschäftigt. Derzeit beschäftigt die Beteiligte zu 2.) noch 14 nicht gekündigte Arbeitnehmer.

Der Betriebsrat bestand Ende Oktober noch aus fünf Personen, darunter die Betriebsratsmitglieder Sch. und E.. Das Betriebsratsmitglied E. war allerdings zum 31.08.2010 gekündigt, die Kündigungsschutzklage war anhängig. Das befristete Beschäftigungsverhältnis des Betriebsratsmitglieds Sch. lief zum 30.11.2010 aus. Mit Erklärung vom 29.10.2010 erklärte das Betriebsratsmitglied Sch. seinen Rücktritt vom Amt des Betriebsrats. Ersatzmitglieder waren nicht vorhanden.

Mit Beschluss vom 03.11.2010 stellte der Betriebsrat mit 4 zu 0 Stimmen, darunter auch die Stimme des wegen seiner Kündigung prozessierenden Betriebsratsmitglieds E., fest, dass nur noch vier ordentliche Betriebsratsmitglieder vorhanden seien. Damit seien die Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG erfüllt und eine Neuwahl erforderlich. Gleichzeitig setzte er einen Wahlvorstand zur Durchführung der Betriebsratswahl „zur Wahl eines Gemeinschaftsbetriebsrats” der Beteiligten zu 2.) bis 4.) ein, bestehend aus den Betriebsratsmitgliedern F. als Vorsitzenden sowie H. und S. als Mitglieder (Anlagen 2 und 3 zur Antragsschrift, Bl. 38 und 39 d.A.). Das Wahlvorstandsmitglied F. ist Beschäftigter der Beteiligten zu 2.), die beiden anderen Wahlvorstandsmitglieder sind Beschäftigte der Beteiligten zu 4.). Der Wahlvorstand verlangte am 04.11.2010 von den Beteiligten eine vollständige Aufstellung der Beschäftigten zur Aufstellung der Wählerliste (Anlage 4 zur Antragsschrift, Bl. 40 f. d.A.). Die Beteiligten zu 2.) bis 4.) lehnten diese Verpflichtung mit Anwaltsschriftsatz vom 11.11.2010 (Anlage 5, ebenda, Bl. 42 f. d.A.) ab. Mit Beschluss vom 17.11.2010 beauftragte der Wahlvorstand seine jetzigen Verfahrensbevollmächtigten mit der Durchführung von Gerichtsverfahren zur Durchsetzung seiner Wahlvorstandsrechte (Anlage 7, ebenda, Bl. 46 d.A.).

Mit der am 18.11.2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragsschrift selben Datums hat der Wahlvorstand die Erstellung und Herausgabe der Beschäftigtenlisten von den Beteiligten zu 2.) bis 4.) verlangt. Er hat geltend gemacht, die Einsetzung des Wahlvorstands sei rechtens erfolgt, weil zum einen die Zahl der Betriebsratsmitglieder unter die erforderliche Anzahl gesunken sei, weil zum anderen ein Gemeinschaftsbetrieb am Standort zu wählen sei. Im Vergleich zum vorherigen Betrieb habe sich durch die Ausgliederung von Werkzeugbau und Dreherei auf die Beteiligten zu 3.) u...

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