Rz. 757

Problematisch ist die Beteiligung eines sog. "Gemeinschaftsbetriebes" am Gesamtbetriebsrat. Ein gemeinsamer Betrieb liegt dann vor, wenn sich zwei rechtlich selbstständige Unternehmen zur Führung eines organisatorisch einheitlichen Betriebes zusammengetan haben (hierzu vgl. Rdn 28 ff.). Die Arbeitnehmer bleiben in diesem Fall Beschäftigte ihrer jeweiligen Arbeitgeber; es existiert aber nur eine einheitliche Betriebsorganisation und damit ein einheitlicher für den gemeinsamen Betrieb zuständiger Betriebsrat. Häufig findet man eine solche Konstellation im Zuge der Unternehmensaufgliederung, wenn Unternehmen bereits verselbstständigt sind, die ursprüngliche betriebliche Einheit jedoch vorläufig weiter belassen ist (hierfür spricht im Fall einer Spaltung ohne Änderung der Organisation nach § 322 UmwG, § 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG eine gesetzliche Vermutung).

 

Rz. 758

Aus § 47 Abs. 9 BetrVG ergibt sich, dass der Betriebsrat des Gemeinschaftsbetriebes Vertreter in alle Gesamtbetriebsräte der am gemeinsamen Betrieb beteiligten Trägerunternehmen entsenden kann (BAG v. 13.2.2007 – 1 AZR 184/06, juris; vgl. auch Hanau, RdA 2001, 65, 67). Schon die Tatsache, dass im gemeinsamen Betrieb nicht notwendigerweise Arbeitnehmer aus allen beteiligten Unternehmen repräsentiert sein müssen, zeigt, dass aus dem gemeinsamen Betrieb nicht nur Betriebsratsmitglieder in den jeweiligen Gesamtbetrieb entsandt werden können, die auch beim betreffenden Unternehmen beschäftigt sind (LAG Baden-Württemberg v. 5.11.2020 – 14 TaBV 4/20, juris; BAG v. 1.6.2022 – 7 ABR 41/20; Fitting, BetrVG, § 47 Rn 81; DKW/Deinert, BetrVG, § 47 Rn 42; GK-BetrVG/Franzen, § 47 Rn 41; dies deutet auch an LAG Hessen v. 22.9.2016 – 9 TaBV 60/16, juris; anders aber Richardi/Annuß, § 47 Rn 77 m.w.N. auch zur Gegenmeinung). Bei der Stimmenzahl ist, wie sich aus § 47 Abs. 9 i.V.m. § 47 Abs. 7 und Abs. 8 BetrVG ergibt, die gesamte Arbeitnehmerzahl des gemeinsamen Betriebes zu berücksichtigen. Die Bildung eines unternehmensübergreifenden Gesamtbetriebsrats verstößt allerdings auch dann gegen § 47 BetrVG, wenn die beteiligten Unternehmen ausschließlich oder teilweise Gemeinschaftsbetriebe unterhalten (BAG v. 25.2.2020 – 1 ABR 40/18, juris; BAG v. 17.3.2010 – 7 AZR 706/08, juris).

 

Rz. 759

Soweit mehrere Unternehmen eine abweichende Betriebsratsstruktur mithilfe eines Tarifvertrags nach § 3 Abs. 1 BetrVG vereinbaren, muss dieser Tarifvertrag von allen betroffenen Unternehmen abgeschlossen werden (BAG v. 25.2.2020 – 1 ABR 40/18, juris). Zudem muss die Tarifzuständigkeit der abschließenden Gewerkschaft für alle Arbeitnehmer und Betriebe bestehen (LAG Düsseldorf v. 26.11.2020 – 11 TaBV 56/20, juris).

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge