Rz. 26

Normalerweise führt ein Unternehmen einen oder mehrere Betriebe. Denkbar ist jedoch auch, dass zwei oder mehrere Unternehmen einen oder mehrere Betriebe gemeinsam führen. Diese Rechtsfigur des "Gemeinsamen Betriebes" hat der Gesetzgeber im BetrVG 2001 anerkannt (§ 1 Abs. 2 BetrVG). Wenn sich Unternehmen die Führung eines Betriebes als gemeinsamen Betrieb vereinbaren, bleiben die Arbeitsverhältnisse trotzdem nur zum jeweiligen Vertragsarbeitgeber bestehen – sie bestehen nicht, was denkbar wäre, mit einer GbR oder oHG aus denjenigen Unternehmen, die den Betrieb gemeinsam führen. Grundlegende Voraussetzung für das Vorliegen eines gemeinsamen Betriebes ist, dass die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel mehrerer Unternehmen zu arbeitstechnischen Zwecken zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und dass der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat betriebsbezogen gesteuert wird. Die beteiligten Unternehmen müssen sich zumindest stillschweigend zu einer gemeinsamen Führung rechtlich verbunden haben (st. Rspr., vgl. zuletzt etwa BAG v. 20.5.2021 – 2 AZR 560/20, juris; BAG v. 23.11.2016 – 7 ABR 3/15, juris; BAG v. 13.2.2013 – 7 ABR 36/11, juris; BAG v. 10.11.2011 – 8 AZR 538/10, juris).

 

Rz. 27

 

Hinweis

Die einheitliche Leitung muss sich auf die wesentlichen Funktionen des Arbeitgebers in personellen und sozialen Angelegenheiten erstrecken. Eine lediglich unternehmerische Zusammenarbeit genügt nicht. Vielmehr müssen die Funktionen des Arbeitgebers institutionell einheitlich für die beteiligten Unternehmen wahrgenommen werden. Für die Frage, ob der Kern der Arbeitgeberfunktionen in sozialen und personellen Angelegenheiten von derselben institutionalisierten Leitung ausgeübt wird, ist vor allem entscheidend, ob ein arbeitgeberübergreifender Personaleinsatz praktiziert wird, der charakteristisch für den normalen Betriebsablauf ist. Dies ist nicht der Fall, wenn die jeweiligen Unternehmensvertreter ihren jeweiligen Beschäftigten Anweisungen erteilen (BAG v. 10.11.2011 – 8 AZR 538/10, juris). Daher ist auch das Vorhandensein einer gemeinsamen Personalabteilung kein Indiz für einen einheitlichen Leitungsapparat, wenn die Personalabteilung selbst keine Entscheidungen in mitbestimmungsrechtlich relevanten Angelegenheiten trifft, sondern sich im Wesentlichen auf Beratungs- und Unterstützungsleistungen beschränkt (BAG v. 13.8.2008 – 7 ABR 21/07, juris), wenn es an einer zusammengefassten Einbringung von Betriebsmitteln und Arbeitnehmern in eine Betriebsstätte fehlt (LAG Düsseldorf v. 20.12.2010 – 14 TaBV 24/10, juris). Werden Arbeitnehmer jeweils nur in einzelnen Restaurants eingesetzt und nicht übergreifend, spricht dies gegen eine einheitliche Leitung. Auf die Frage, auf welche Namen Rechnungen ausgestellt werden, kommt es nicht an. Dagegen spricht für einheitliche Leitung, wenn vor Kündigungen Rücksprache mit der Personalleitung genommen werden muss und wenn dort Urlaubspläne zur Genehmigung vorgelegt werden müssen (BAG v. 23.11.2016 – 7 ABR 3/15, juris).

 

Rz. 28

Die Feststellung, wann ein solcher gemeinsamer Betrieb vorliegt, ist häufig nur schwer zu treffen. § 1 Abs. 2 BetrVG sieht die Vermutung für das Vorliegen eines gemeinsamen Betriebes vor, wenn

zur Verfolgung arbeitstechnischer Zwecke die Betriebsmittel sowie die Arbeitnehmer von den Unternehmen gemeinsam eingesetzt werden oder
die Spaltung eines Unternehmens zur Folge hat, dass von einem Betrieb ein oder mehrere Betriebsteile einem an der Spaltung beteiligten anderen Unternehmen zugeordnet werden, ohne dass sich dabei die Organisation des betroffenen Betriebs wesentlich ändert.
 

Rz. 29

 

Hinweis

Ob die Vermutungswirkung der Nr. 1 – letztlich wird das Vorliegen einer Führungsvereinbarung der beteiligten Unternehmen vermutet – tatsächlich widerlegt werden kann, erscheint in der Praxis als problematisch: Wenn ein solcher gemeinsamer Einsatz tatsächlich einvernehmlich praktiziert wird, wird dies zumindest von den Instanzgerichten meist als konkludente Führungsvereinbarung gesehen. Allerdings genügt eine unternehmerische Zusammenarbeit, bei der sich die Beteiligung eines Arbeitgebers auf das Zur-Verfügung-Stellen seiner Arbeitnehmer an ein oder mehrere andere Unternehmen beschränkt, nicht; in solchen Fällen handelt es sich um eine Personalgestellung in Form der Arbeitnehmerüberlassung, selbst wenn die Überlassung durch eine extra hierfür gegründete Tochtergesellschaft erfolgt. Auch Bestimmungen über die Zulassung von Dienstleistern im Bereich der Bodenabfertigungsdienste auf Flugplätzen gebieten nicht die Annahme, ein solches Unternehmen, welches sich für die Auftragsabwicklung eines nicht zugelassenen Subunternehmers bedient, führe mit diesem einen Gemeinschaftsbetrieb (BAG v. 13.2.2013 – 7 ABR 36/11, juris). Selbst wenn eine enge Zusammenarbeit aufgrund wechselseitiger Verpflichtungen zu einer Minderung von mitbestimmungsrechtlich relevanten Gestaltungs- und Entscheidungs...

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