Rz. 1394

Um auch in solchen Fällen eines nichtgroben Verstoßes die Klärung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrates zu ermöglichen, hat das BAG deshalb den sog. konkreten Feststellungsantrag zugelassen (vgl. BAG v. 13.6.1989 – 1 ABR 4/88, juris). Da auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren § 256 ZPO entsprechend oder zumindest als Grundnorm jeder Verfahrensordnung anzuwenden ist, kann ein solcher Antrag nur zulässig sein, wenn es um das Bestehen eines Rechtsverhältnisses geht. Das BAG hat ein solches Rechtsverhältnis in dem gesetzlichen Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat gesehen, welches zwar immer besteht, wenn ein Betriebsrat gebildet ist; der Feststellungsantrag kann aber Grenzen und Reichweite dieses Rechtsverhältnisses und der Mitbestimmungsrechte klären. Der konkrete Feststellungsantrag ist allerdings nur dann zulässig, wenn die Maßnahme des Arbeitgebers noch andauert oder konkrete Auswirkungen zeigt (etwa wenn der Arbeitgeber Zulagen mitbestimmungswidrig gekürzt hat; durch die nachträgliche Ausübung des Mitbestimmungsrechts könnten Zulagen anderweitig verteilt werden; anders für Aktienoptionen BAG v. 23.10.2018 – 1 ABR 18/17, juris).

 

Rz. 1395

 

Hinweis

Zulässig ist der Antrag des Betriebsrats auf Feststellung, dass der Arbeitgeber nicht berechtigt ist, an Arbeitnehmer eine bestimmte Zulage zu zahlen, wenn Streit darüber besteht, ob ein Passus einer Betriebsvereinbarung solche Auszahlungen verbietet (BAG v. 18.11.2014 – 1 ABR 18/13, juris). Zulässig ist auch der Antrag auf Feststellung, dass ein bestimmter Arbeitnehmer (dessen Zugehörigkeit zur Belegschaft streitig ist) an der Betriebsversammlung teilzunehmen berechtigt ist und der Arbeitgeber dies zu ermöglichen hat (BAG v. 26.5.2021 – 7 ABR 17/20), sowie der Antrag auf Feststellung, dass der Arbeitgeber mit der Abänderung von Entgelten ohne Beachtung des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG die Mitbestimmungsrechte verletzt hat (BAG v. 27.4.2021 – 1 ABR 21/20, juris). Auch kann die Feststellung begehrt werden, dass eine Betriebsvereinbarung noch gilt (ggf. im Wege der Nachwirkung) oder nicht gilt (BAG v. 28.7.2020 – 1 ABR 4/19, juris; BAG v. 8.12.2020 – 3 ABR 44/19, juris), dass ein Einigungsstellenspruch unwirksam ist (BAG v. 19.11.2019 – 1 ABR 36/18, juris) und dass ein Konzernbetriebsrat für bestimmte Unternehmen besteht (BAG v. 26.8.2020 – 7 ABR 24/18, juris).

 

Rz. 1396

Weil im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die Maßnahme – etwa die Durchführung von Überstunden – fast immer schon abgeschlossen ist und selten noch Auswirkungen für Gegenwart und Zukunft hat, hat das BAG auch einen sog. abstrakten Feststellungsantrag für zulässig erklärt (vgl. etwa BAG v. 19.2.1991 – 1 ABR 36/90, juris; BAG v. 27.10.1992 – 1 ABR 17/92, juris). Danach kann der Betriebsrat die Feststellung beantragen, dass eine solche – vom Arbeitgeber bereits durchgeführte und abgeschlossene – Maßnahme mitbestimmungspflichtig sei (BAG v. 29.9.2020 – 1 ABR 21/19, juris, dass der Betriebsrat bei jedem vorübergehende Einsatz eines im Bereich Food beschäftigten Arbeitnehmers an der Kasse nach § 99 BetrVG zu beteiligen sei; BAG v. 12.6.2019 – 1 ABR 57/17, juris, für die Feststellung, dass ein Mitbestimmungsrecht bei der Vergabe von Aktienoptionen durch die Konzernobergesellschaft besteht). Ebenso kann der Arbeitgeber die negative Feststellung beantragen, dass in "solchen" Fällen wie einem streitigen Anlassfall kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gegeben sei (BAG v. 22.9.2021 – 7 ABR 22/20, juris). Allerdings muss die gesamte Maßnahme und nicht nur Teilaspekte (hier: Feststellung, dass es sich bei der Zuordnung neuer Dienstorte nicht um zustimmungspflichtige Versetzungen handelt) zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden (im Streitfall war die Zuweisung mit dem Angebot dauerhafter Home-Office-Beschäftigung verbunden, sodass der Streit über "solche" Maßnahmen nicht mit der Entscheidung über den Streitgegenstand geklärt gewesen wäre, BAG v. 22.9.2021 – 7 ABR 13/20, juris).

 

Rz. 1397

 

Hinweis

Das BAG formuliert wie folgt (BAG v. 4.5.2011 – 7 ABR 3/10, juris):

Zitat

"Die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO sind erfüllt. Der Streit, ob ein Mitbestimmungsrecht besteht, betrifft danach ein betriebsverfassungsrechtliches Rechtsverhältnis der Betriebsparteien im Sinne einer durch die Herrschaft einer Rechtsnorm über einen konkreten Sachverhalt entstandenen rechtlichen Beziehung einer Person zu einer anderen Person. Dem Betriebsrat kommt das erforderliche Feststellungsinteresse zu. Das Bestehen, der Inhalt oder der Umfang eines Mitbestimmungsrechts können im Beschlussverfahren gelöst von einem konkreten Ausgangsfall geklärt werden, wenn die Maßnahme, für die ein Mitbestimmungsrecht in Anspruch genommen wird, im Betrieb häufiger auftritt und sich auch künftig jederzeit wiederholen kann."

Ein berechtigtes Interesse wird sehr häufig auch darin bestehen, dass der Arbeitgeber die verfahrensgegenständlichen Verpflichtungen bestreitet (BAG v. 21.10.2014...

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