Rz. 18

Häufig lehnen Rechtsschutzversicherungen die Deckungszusage für die außergerichtliche Tätigkeit in Kündigungsschutzsachen mit dem Hinweis auf eine Obliegenheitsverletzung des Arbeitnehmers ab.

Beim BGH[6] ist ein Anerkenntnisurteil zur Frage der Abrechenbarkeit der außergerichtlichen Geschäftsgebühr im Arbeitsrecht ergangen. Aufgrund des Anerkenntnisses der Rechtsschutzversicherung existiert leider keine schriftliche Begründung des BGH. Dennoch dürften sich betroffene Rechtsschutzversicherungen und die Instanzengerichte dem "Tenor" des BGH nicht verschließen. In der mündlichen Verhandlung erläuterte der Vorsitzende des IV. Zivilsenats, dass entsprechende Klauseln in den ARB wegen Verstoßes gegen § 307 BGB nichtig seien. Bereits mit der Terminsnachricht hatte der Senat rechtliche Hinweise erteilt.[7]

Zitat

"Die dem Versicherungsnehmer aufgegebene Obliegenheit, "… soweit seine Interessen nicht unbillig beeinträchtigt werden, … cc) … alles zu vermeiden, was eine unnötige Erhöhung der Kosten oder eine Erschwerung ihrer Erstattung durch die Gegenseite verursachen könnte", ist möglicherweise wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot und das Leitbild der §§ 6, 62 VVG a.F. nach § 307 BGB unwirksam. Das Anwaltsverschulden durfte dem Versicherungsnehmer unter keinem Gesichtspunkt zuzurechnen sein, soweit es um einen Verstoß gegen diese Obliegenheit geht."

Diese Auffassung wird mittlerweile auch in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte vertreten. So ist z.B. dem Urteil des OLG Karlsruhe vom 15.11.2011[8] Folgendes zu entnehmen:

Zitat

"Die Klausel verstößt nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB gegen das Transparenzgebot. Hiernach ist der Verwender von Allgemeinen Versicherungsbedingungen nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen; insbesondere müssen Nachteile und Belastungen so weit erkennbar werden, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (…). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Klausel nicht gerecht. Denn der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer kann § 17 Absatz 5 c) cc) der vorliegenden ARB gerade nicht entnehmen, was von ihm konkret verlangt wird. Ihm wird – zumal mit der unbestimmten Einschränkung "nicht unbillig beeinträchtigt" – nicht verdeutlicht, ob er gegen seine Obliegenheiten verstößt und hierdurch seinen Versicherungsschutz ganz oder teilweise gefährdet. Der Versicherungsnehmer wird durch diese unklare Formulierung vielmehr unangemessen benachteiligt, weil er infolgedessen von einer erforderlichen Interessenwahrnehmung abgehalten werden kann."

Ebenso hält auch das OLG München in seiner Entscheidung vom 22.9.2011[9] diese Klausel für intransparent gem. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB und führt aus:

Zitat

"Die Formulierung "alles zu vermeiden, was eine unnötige Erhöhung der Kosten oder eine Erschwerung ihrer Erstattung durch die Gegenseite verursachen könnte" weist den durchschnittlichen Versicherungsnehmer, auf dessen Verständnismöglichkeiten es ankommt, nicht mit der gebotenen und möglichen Klarheit darauf hin, was er zu unterlassen hat, um seine in der streitgegenständlichen Klausel festgelegte Obliegenheit zu erfüllen."

Gegen eine Obliegenheitsverletzung des Arbeitnehmers spricht im Übrigen Folgendes:

Die außergerichtliche Tätigkeit ist nicht offensichtlich und auf den ersten Blick erkennbar ungeeignet. Sie verursacht nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit nur Kosten.
Die Drei-Wochen-Frist der §§ 7, 4 KSchG kann für eine außergerichtliche Einigung genügen.
Der außergerichtliche Einigungsversuch entspricht der gesetzlichen Wertung sowie richtiger und ständiger anwaltlicher Beratung.
Nach den ARB ist der arbeitsrechtliche Versicherungsschutz nicht auf eine gerichtliche Auseinandersetzung beschränkt.
Den Fall, dass es nicht (schon) zur außergerichtlichen Einigung kommt, regelt die Anrechnungsvorschrift Vorbem. 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG (bis zu 0,75 Gebühren).
Nach aktueller Durchführungsanordnung der Agenturen für Arbeit führt nicht in jedem Fall ein Aufhebungs-/Abwicklungsvertrag zur Sperrfrist, ist also für den Versicherungsnehmer nicht von vornherein nachteilig (so noch die häufige Argumentation der Rechtsschutzversicherungen).

Vor diesem Hintergrund sollte der Rechtsanwalt die Rechtsschutzversicherung noch einmal anschreiben, sofern die außergerichtliche Deckungszusage verneint werden sollte.

 

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Muster 43.5: Schreiben an die Rechtsschutzversicherung bei Verweigerung der außergerichtlichen Deckungszusage

Sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom _________________________. Mit diesem Schreiben haben Sie für die außergerichtliche Wahrnehmung der Interessen Ihres Versicherungsnehmers eine Deckungszusage leider abgelehnt.

Ihre Rechtsansicht, wonach Deckungsschutz für die außergerichtliche Tätigkeit nicht bestehe, teilen wir nicht.

Die Verweigerung der Deckungszusage für die außergerichtliche Interessenswahrnehmung begrü...

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