Entscheidungsstichwort (Thema)

Intransparenz einer Klausel über Verhaltensanforderungen an den Versicherungsnehmer nach Eintritt des Rechtsschutzfalles

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Klausel in Versicherungsverträgen, wonach der Versicherungsnehmer nach Eintritt des Rechtsschutzfalles, soweit seine Interessen nicht unbillig beeinträchtigt werden, alles zu vermeiden hat, was eine unnötige Erhöhung der Kosten oder eine Erschwerung ihrer Erstattung durch die Gegenseite verursachen könnte, ist intransparent und unwirksam.

 

Normenkette

UKlaG § 3 Abs. 1 Nr. 2, § 4; ARB §§ 1-6; BGB § 307 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 21.04.2011; Aktenzeichen 2-24 O 135/10)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers gegen das Urteil des LG Frankfurt/M. vom 21.4.2011 - 2-24 O 135/10 - werden zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das angefochtene und das vorliegende Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewandt werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger ist ein Verbraucherschutzverein, der satzungsgemäß Interessen von Verbrauchern wahrnimmt und zu den qualifizierten Einrichtungen gem. §§ 3 Abs. 1 Nr. 2, 4 UKlaG gehört. Die Beklagte Lebensversicherung verwendet allgemeine Versicherungsbedingungen für die Rechtsschutzversicherung (Bl. 15 ff.).

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Unterlassung der Verwendung der das Verhalten nach Eintritt des Rechtsschutzfalles betreffenden Klausel § 8.5, 3.3, die folgenden Inhalt hat:

"Der Versicherungsnehmer hat, soweit seine Interessen nicht unbillig beeinträchtigt werden, alles zu vermeiden, was eine unnötige Erhöhung der Kosten oder eine Erschwerung ihrer Erstattung durch die Gegenseite verursachen könnte".

In § 8.6 wird im Einzelnen der Verlust des Versicherungsschutzes bei einer Verletzung der genannten Obliegenheit geregelt.

Ein Abmahnschreiben des Klägers ist ohne Erfolg geblieben.

Der Kläger, vertreten durch den gleichen Prozessbevollmächtigten wie im vorliegenden Rechtsstreit, hat gleichlautende Abmahnschreiben an weitere 20 deutsche Rechtsschutzversicherungen gerichtet, welche die genannte Klausel ebenfalls in ihren allgemeinen Versicherungsbedingungen verwenden; davon sind bisher weitere 17 Verfahren rechtshängig geworden; dazu gehören die ebenfalls beim Senat anhängigen Verfahren 3 U 119/11 und 3 U 127/11.

Der Kläger verlangt mit seiner Klage außerdem Ersatz von Abmahnkosten i.H.v. 911,80 EUR aus einem Gegenstandswert von 25.000,- EUR.

Der Kläger hat geltend gemacht, die streitgegenständliche Klausel sei unwirksam, weil sie sowohl intransparent als auch inhaltlich unangemessen benachteiligend sei. Die Klausel sei zu unbestimmt, da ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer aufgrund unbestimmter Begriffe wie "unnötig" und "Erschwerung verursachen könnte" nicht erkennen könne, welche Obliegenheit von ihm verlangt werde. Dem Versicherungsnehmer werde eine kostenrechtliche Prüfung und eine Prognoseentscheidung abverlangt, was mangels entsprechender Ausbildung zu weitgehend sei. Rechtskenntnisse seines Rechtsanwalts habe sich der Versicherungsnehmer nicht zurechnen zu lassen. Während nach § 28 VVG nur eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Obliegenheitsverletzung sanktioniert werden dürfe, sei gegebenenfalls der kostenauslösende Versuch einer außergerichtlichen Einigung nicht schuldhaft, entspreche vielmehr nur der Beachtung der Schadensminderungspflicht aus § 82 VVG. Die Klausel relativiere das Leistungsversprechen gem. §§ 1-6 ARB. Nach der kundenfeindlichsten Auslegung verliere der Versicherungsnehmer darüber hinaus seinen Versicherungsschutz schon bei der bloßen Gefahr der Kostenerhöhung oder einer Erschwerung der Kostenerstattung. Der in § 17 Abs. 6 ARB gestattete Gegenbeweis des Versicherungsnehmers widerspreche der gesetzlichen Beweislastverteilung.

Der Kläger war ferner der Ansicht, dass er jedenfalls bei schwierigen Fällen wie dem vorliegenden berechtigt sei, vorgerichtlich zur Beratung und Verfassung der Abmahnung externen Sachverstand seines Prozessbevollmächtigten beanspruchen zu dürfen. Deshalb sei die Geltendmachung vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten in voller Höhe berechtigt.

Der Kläger hat beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes - und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft - oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR 250.000,00; Ordnungshaft, zu vollziehen an den Vorstandsmitgliedern der Beklagten, insgesamt höchstens 2 Jahre), zu unterlassen, beim Abschluss von Rechtsschutz-Versicherungsverträgen mit Verbrauchern die nachst...

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