Rz. 119

Eine allgemeine Regelung über die anwaltliche Vertretung von Zeugen besteht außerhalb von § 68b StPO nicht. Im Zuge der Verbreitung viktimologischer Erkenntnisse und damit einhergehend der sukzessiven Verbesserung der Stellung der Opfer in der Strafprozessordnung wurde allerdings in § 406f bzw. § 406h StPO normiert, dass sich auch der Verletzte, ohne sich nach § 395 StPO nach Klageerhebung dem Verfahren als Nebenkläger anschließen zu müssen, eines Rechtsanwalts als Beistand bedienen kann.[52]

 

Rz. 120

Die Aufgabe des Zeugenbeistandes ist es, den Zeugen über seine prozessualen Rechte aufzuklären und ihn in allen Stadien des Verfahrens sachgerecht zu begleiten. Besonders relevant wird dieser Auftrag in der Hauptverhandlung. Wichtige zeugenschützende Normen sind u.a. § 68 StPO, der bei einer Gefährdungslage nur eingeschränkt Angaben zur Person zu machen erlaubt. Nach § 171b GVG besteht vor allem in Prozessen, in denen Einzelheiten aus dem Intimleben des Zeugen zur Sprache kommen können, die Möglichkeit des Ausschlusses der gesamten Öffentlichkeit. § 247 StPO sieht die Entfernung des Angeklagten aus dem Gerichtssaal vor und spielt insbesondere in Missbrauchsprozessen bei Vernehmungen von so genannten kindlichen Zeugen eine große Rolle. Nach § 247a StPO kann die Vernehmung des Zeugen auch an einem anderen Ort erfolgen und per Videoübertragung weitergeleitet werden. Schließlich ist insoweit noch auf § 241a Abs. 1 StPO zu verweisen, der normiert, dass die Vernehmung von Zeugen unter 16 Jahren allein von dem Vorsitzenden durchgeführt wird.

 

Rz. 121

Bereits im Stadium des Ermittlungsverfahrens sind insbesondere die Zeugnisverweigerungsrechte nach §§ 52, 53 StPO sowie das Auskunftsverweigerungsrecht des § 55 StPO zu beachten.

In diesem Zusammenhang ist an die seit BGHSt 10, 104 ständige Rechtsprechung des BGH[53] zu erinnern: Das Auskunftsverweigerungsrecht kann zum Recht, die Aussage in vollem Umfang zu verweigern, erstarken.

 

Rz. 122

Oft verkannt wird in diesem Zusammenhang, dass dem Zeugen wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit, die er früher begangen hat, nicht aber wegen des Inhalts der Aussage Verfolgung drohen muss. So wäre es etwa falsch, der Zeugin C im Ausgangsfall ein Auskunftsverweigerungsrecht aus dem Grund zuzubilligen, da sie Gefahr läuft, sich in der Hauptverhandlung wegen falscher uneidlicher Aussage nach § 153 StGB strafbar zu machen.

 

Rz. 123

Interessenkollisionen können dann auftreten, wenn ein Rechtsanwalt in einem Verfahren zugleich Verteidiger eines Beschuldigten als auch Beistand eines Zeugen ist. Zwar besteht das Verbot der Mehrfachverteidigung nach § 146 StPO nur bei mehreren derselben Tat Beschuldigten, doch können die divergierenden Interessen von Beschuldigten und Zeugen gebieten, sich auf die Vertretung einer dieser Personen zu beschränken. Möglich ist jedoch die gleichzeitige Vertretung mehrerer Zeugen in derselben Sache.

[52] Vgl. Peter, 1x1 der Hauptverhandlung, S. 209 f.; Schroth/Schroth, Die Rechte des Verletzten im Strafprozess, S. 87 ff., 96 ff.
[53] Vgl. auch BGH StV 2002, 604 ff.; BGH NJW 1998, 1728.

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