Rz. 101

Voraussetzung einer Einstellung gem. § 153a Abs. 1 StPO ist – wie auch bei § 153 Abs. 1 StPO – ein Vergehen. Allerdings müssen die Ermittlungen hier schon weiter gediehen sein, weil nur so die für eine Anklageerhebung notwendige Schuldfeststellung gesichert sein kann. Eine Gewissheit über die Schuld muss jedoch nicht vorliegen, denn die Einstellung nach § 153a StPO setzt nur hinreichenden Tatverdacht voraus.

 

Rz. 102

Die Schwere der Schuld darf einer Einstellung nicht entgegenstehen. Für die Beurteilung der Schuldschwere kommt es wie auch im Rahmen des § 153 Abs. 1 StPO auf eine Gesamtbetrachtung der Strafzumessungsfaktoren i.S.v. § 46 Abs. 2 S. 2 StGB an. Lediglich das Schuldquantum ist im Falle einer Einstellung nach § 153a Abs. 1 StPO etwas höher anzusiedeln.[44]

 

Rz. 103

Ferner darf das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung nicht entgegenstehen. Anders als bei § 153 Abs. 1 StPO kann jedoch hier das öffentliche Verfolgungsinteresse durch Erfüllung von Auflagen und Weisungen nachträglich kompensiert werden. Zu beachten ist aber: Je geringer das Verfolgungsinteresse, desto mehr nähert man sich der Anwendbarkeit von § 153 Abs. 1 StPO an. Die Anwendung des § 153 StPO hat insofern auch Vorrang vor der Einstellung nach § 153a Abs. 1 StPO.[45]

Erforderlich ist des Weiteren die Zustimmung des Beschuldigten zu den Auflagen und Weisungen, die auch der Verteidiger für den Mandanten abgeben kann. Die Zustimmung muss unmissverständlich sein und nicht nur die Auflage, sondern auch die damit verbundenen Modalitäten (etwa die Höhe der Rate, die zeitliche Abfolge der Ratenzahlung etc.) umfassen.[46]

 

Rz. 104

Wenn die Verteidigung die Einstellung nach § 153a Abs. 1 StPO anregt, ist es sinnvoll, auch die entsprechenden Auflagen oder Weisungen, die der Mandant erfüllen könnte, vorzuschlagen. Wer etwa eine Schadenswiedergutmachung vorschlägt, verdeutlicht, dass ihm an einer Befriedung des Opfers gelegen ist. Eine konziliante Haltung zu den Opferinteressen, die einen klassischen Strafmilderungsgrund im Hauptverfahren darstellt, stößt zwangsläufig auch auf eine höhere Einstellungsbereitschaft der Staatsanwaltschaft.

 

Rz. 105

Auflagen und Weisungen können im Nachhinein abgeändert oder aufgehoben werden. Der Beschuldigte kann eine solche Änderung aber nicht beanspruchen, muss ihr aber zustimmen. Über diese Änderung entscheidet die Staatsanwaltschaft allein, das Gericht ist daran nicht beteiligt.

Besonderes Augenmerk verdient der Täter-Opfer-Ausgleich gem. § 46a StGB: Diesem wurde in den §§ 155a ff. StPO eine strafprozessuale Grundlage gegeben. Die jederzeitige Pflicht von Staatsanwaltschaft und Gericht zur Prüfung der Möglichkeiten eines Ausgleichs zwischen Beschuldigtem und Verletztem soll dem Täter-Opfer-Ausgleich in der Praxis zu einer breiteren Akzeptanz verhelfen. Bereits im Ermittlungsverfahren kann daher ein Ausgleichsversuch unternommen werden. Hierzu muss sich der Sachverhalt jedoch eignen. Es sind sämtliche Umstände des Einzelfalls in Betracht zu ziehen. Von Seiten des Verteidigers kann es lohnend sein, den Versuch eines Täter-Opfer-Ausgleichs bei der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht anzuregen. Erteilt die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten eine Weisung gem. § 153a Abs. 1 S. 2 Nr. 5 StPO und wird dieser mit Erfolg nachgekommen, wird das Verfahren im Anschluss daran eingestellt. Zudem gilt es im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs § 153b StPO zu berücksichtigen, der ebenfalls Anwendung finden könnte.[47]

[44] Vgl. Löwe/Rosenberg-Mavany, § 153a StPO Rn 38.
[45] Vgl. Löwe/Rosenberg-Mavany, § 153a StPO Rn 35 f.
[46] Vgl. Löwe/Rosenberg-Mavany, § 153a StPO Rn 47 ff.
[47] Vgl. näher zum Täter-Opfer-Ausgleich: Schroth/Schroth, Die Rechte des Verletzten im Strafverfahren, S. 103 ff.; zu einem möglichen Muster im Jugendstrafrecht mit einem Antrag nach § 45 Abs. 2 JGG vgl. etwa Reisenhofer, Jugendstrafrecht in der anwaltlichen Praxis, § 7 Rn 10.

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