Rz. 284

Der Dolmetscher ist, anders als der Sachverständige, nicht nur Helfer des Gerichts, sondern Helfer aller Prozessbeteiligten. Seine Bedeutung kann daran ermessen werden, dass eine Verhandlung unter Missachtung des § 185 GVG einen absoluten Revisionsgrund nach § 338 Nr. 5 StPO darstellt. Die Durchführung eines Strafverfahrens mit einem ausländischen Angeklagten, welcher der deutschen Sprache nicht mächtig ist, verlangt nicht nur seitens des Gerichts besonderes Gespür, sondern fordert auch den Verteidiger in seiner beratenden und betreuenden Funktion. Denn wie undurchschaubar und unverständlich eine Hauptverhandlung für den ausländischen Angeklagten sein muss, lässt sich erkennen, wenn man bedenkt, wie viel Mühe es machen kann, einem deutschen Mandanten bestimmte Verfahrensabläufe transparent und nachvollziehbar zu machen. Der Verteidiger sollte daher besonders bemüht sein, jeden zumindest auf Sprachunkenntnis beruhenden Zweifel des Angeklagten in Bezug auf das gegen ihn geführte Strafverfahren auszuräumen. Dies ist auch eine taktische Notwendigkeit, weil ein unwissender und das Geschehen nicht verstehender Angeklagter dem Gericht durch seine Reaktionen unter Umständen einen falschen Eindruck von seiner Person vermittelt.

 

Rz. 285

Zwar wird der Dolmetscher allein vom Gericht ausgewählt, doch sollte der Verteidiger bereits vor der Bestellung darauf hinwirken, dass ein Dolmetscher ausgewählt wird, der die Gewähr bietet, dass die Sprachvermittlung unabhängig von schädlichen Missverständnissen erfolgen kann. Hier ist insbesondere an bestehende Rivalitäten verschiedener Bevölkerungsgruppen, an soziale Abstufungen oder an verschiedene Dialekte, wie dies etwa im Arabischen der Fall ist, zu denken.

 

Rz. 286

Ein Anspruch auf einen Dolmetscher besteht für die mündliche Verhandlung, wenn der Angeklagte der deutschen Sprache nicht mächtig ist, sich also nicht in der Lage sieht, der Verhandlung zu folgen und selbst vorzubringen, was er vortragen will. Ist eine Verständigung in deutscher Sprache zumindest teilweise möglich, darf das Gericht bestimmen, in welchem Umfang der Dolmetscher tätig werden soll. Wörtlich hat der Dolmetscher alle prozesserheblichen Erklärungen, Anträge, Entscheidungen und Zeugenaussagen sowie den Anklagesatz zu übersetzen. Die Übersetzung muss in die Muttersprache des Angeklagten oder eine andere ihm geläufige Sprache erfolgen.[130]

 

Rz. 287

Die EMRK räumt dem der Gerichtssprache nicht mächtigen Beschuldigten in Art. 6 III lit. e EMRK unabhängig von seiner finanziellen Lage für das gesamte Strafverfahren, also auch schon für die nur vorbereitenden Gespräche mit einem Verteidiger, einen Anspruch auf notwendige Hinzuziehung eines Dolmetschers ein. Dieser Anspruch des Beschuldigten resultiert aus seinem allgemeinen Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren und hat in § 187 GVG seinen Niederschlag gefunden. Auch für den Fall der Verurteilung ist der Angeklagte hinsichtlich der Dolmetscherkosten nicht erstattungspflichtig. Eine Kostenpflicht entfällt ohnehin für alle in § 186 GVG genannten Personen.[131] Dies bedeutet, dass auch der Wahlverteidiger nicht für die Dolmetscher- und Übersetzerkosten für die zwischen ihm und seinem Mandanten stattfindende Kommunikation aufzukommen hat, sondern die Staatskasse. Gleiches gilt für den Pflichtverteidiger, der diese Kosten im Rahmen der Geltendmachung der Pflichtverteidigergebühren in Ansatz bringt bzw. insoweit auch einen Vorschuss aus der Staatskasse verlangen kann.

 

Rz. 288

Auch der Dolmetscher kann gem. § 191 GVG i.V.m. §§ 74, 24 StPO ausgeschlossen bzw. abgelehnt werden. Der Umstand, dass der Dolmetscher bereits im Ermittlungsverfahren für die Polizei tätig geworden ist, rechtfertigt allein aber die Besorgnis der Befangenheit nicht.[132]

[130] Vgl. BVerfGE 64, 135, 146; MüKo-StPO/Oğlakcıoğlu, § 185 GVG Rn 42; Karlsruher Kommentar-Diemer, § 185 GVG Rn 4; Peter, 1x1 der Hauptverhandlung, S. 84 f.; Brüssow u.a./Gatzweiler/Mehle, Strafverteidigung in der Praxis, § 9 Rn 257 ff.
[131] Vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, § 186 GVG Rn 6.
[132] Vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, § 191 GVG Rn 2; BGH NStZ 2008, 50.

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