Rz. 6

Die Höhe der gesetzlichen Vergütung nach dem RVG bemisst sich nach dem Gegenstandswert, also dem Wert, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit für den Mandanten hat, § 2 Abs. 1 RVG. Dieser Gegenstandswert ist in arbeitsrechtlichen Mandaten die Grundlage für die Wertgebühren, die nach Maßgabe des § 13 RVG i.V.m. Anlage 2 zu § 13 Abs. 1 RVG gestaffelt sind.[6] Der Gegenstandswert ist dabei wohlgemerkt nur der Betrag, nach dem sich die Gebühren berechnen, und nicht etwa der zu zahlende Betrag.

Der Gegenstandswert entspricht dem objektiven Geldwert bzw. dem wirtschaftlichen Interesse des Mandanten an der Angelegenheit. Welchen Wert der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit für den Mandanten hat, ist im Einzelfall allerdings nicht immer leicht zu bestimmen.

§ 23 RVG stellt dazu eine allgemeine Wertvorschrift auf, nach der danach zu unterscheiden ist, ob die anwaltliche Tätigkeit Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens ist oder jedenfalls sein könnte. Ist dies zu bejahen, bestimmt sich der Gegenstandswert nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften des GKG. Diese Wertvorschriften werden oft (aber fälschlicherweise) auch dann herangezogen, wenn der anwaltliche Auftrag gar nicht Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein kann, wie z.B. der Auftrag zur einvernehmlichen Beendigung eines Arbeitsverhältnisses. Richtigerweise muss dann aber nach § 23 Abs. 3 RVG verfahren werden: Soweit sich aus dem RVG nichts anderes ergibt, gelten in anderen Angelegenheiten für den Gegenstandswert die Bewertungsvorschriften des Gerichts- und Notarkostengesetzes und die §§ 37, 38, 42–45 sowie 99–102 des Gerichts- und Notarkostengesetzes (GNotKostG) entsprechend. Nach § 99 Abs. 2 GNotKostG z.B. bemisst sich der Wert eines Dienstvertrags nach dem Wert aller Bezüge des zur Dienstleistung Verpflichteten während der ganzen Vertragszeit, höchstens jedoch nach dem Wert der auf die ersten fünf Jahre entfallenden Bezüge. Wenn also der Anwalt einen Arbeitsvertrag entwerfen soll, kommen § 23 Abs. 3 RVG, § 99 Abs. 2 GNotKostG zur Anwendung.[7]

Ergibt sich der Gegenstandswert auch aus diesen Vorschriften nicht und steht er auch sonst nicht fest, ist er nach billigem Ermessen vom Anwalt zu bestimmen. Liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Schätzung vor, ist der Gegenstandswert bei nicht vermögensrechtlichen Gegenständen mit 5.000 EUR,[8] nach Lage des Falls niedriger oder höher, jedoch nicht über 500.000 EUR anzunehmen, § 23 Abs. 3 RVG. Dabei ist – vom Ausgangswert ausgehend – zu prüfen, ob die Umstände des konkreten Falls eine Erhöhung oder eine Reduzierung des Gegenstandswerts gebieten. Hierfür sind vor allem die Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber sowie der maßgeblich durch die tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Sache bestimmte Umfang der anwaltlichen Tätigkeit zu berücksichtigen.[9] Ist der Mandant nicht mit der Schätzung des Anwalts einverstanden, ist die Höhe des Gegenstandswerts als Vorfrage im Rahmen einer Vergütungsklage zu klären.

 

Rz. 7

 

Praxishinweis

Die gerichtliche Streitwertfestsetzung bindet den Anwalt, § 32 Abs. 1 RVG. Will er sicherstellen, dass ihn eine "falsche", weil zu niedrige Streitwertfestsetzung wirtschaftlich nicht trifft, und will er für seine Tätigkeit mit bestimmten Einnahmen kalkulieren, kann er mit seinem Mandanten eine Streitwertvereinbarung[10] treffen. Für eine solche Vereinbarung gelten dieselben gesetzlichen Vorschriften wie für eine Vergütungsvereinbarung.

 

Rz. 8

In der Praxis liegt bzw. lag die besondere Schwierigkeit bei der Gegenstandswertbemessung oftmals darin, dass die Arbeitsgerichte den Streitgegenständen unterschiedliche Werte beimaßen; teilweise war die Bewertung sogar innerhalb eines Gerichts von Richter zu Richter unterschiedlich, wenn keine Streitwertkammer existierte. Höchstrichterliche Klarheit gab es nicht, denn die Rechtsbeschwerde gegen eine Streitwertentscheidung ist auch dann nicht statthaft, wenn sie vom LAG ausdrücklich zugelassen würde.[11] Im konkreten Fall half somit nur die Recherche von Einzelfallentscheidungen[12] möglichst örtlich nahegelegener Arbeitsgerichte, die von der Literatur oder von Arbeitsgerichten übersichtsweise zusammengestellt wurden.

Diese Schwierigkeit dürfte inzwischen überwunden sein, denn um den beschriebenen Missstand zu beheben, wurde von der Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der Landesarbeitsgerichte in 2012 eine Kommission einberufen, die einen bundeseinheitlichen Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit erarbeitete, der seit 2013 gilt und der seither unter Beteilung von Verbänden, der Anwaltschaft und Rechtsschutzversicherungen ständig überarbeitet wird.[13] Auch wenn dieser Katalog nicht rechtsverbindlich ist und insbesondere anfangs stark kritisiert wurde, orientieren sich inzwischen die meisten Arbeitsgerichte bei der Wertfestsetzung daran.[14] Bei Gegenständen, die der Streitwertkatalog nicht umfasst, muss allerdings weiter auf die hierzu ergangene Rechtsprechung zurückgegrif...

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