Entscheidungsstichwort (Thema)

Festsetzung des Streitwertes in Beschlussverfahren nach § 99 BetrVG nach billigem Ermessen. Vorrang eines objektiv feststellbaren Wertes vor einer Festsetzung nach billigem Ermessen. Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Der Gegenstandswert in Beschlussverfahren mit dem Streitgegenstand einer Versetzung als personeller Einzelmaßnahme im Sinne des § 99 BetrVG beträgt im Regelfall eine Bruttomonatsvergütung des von der Versetzung betroffenen Beschäftigten.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Betrifft der Antrag des Betriebsrats einen Anspruch betriebsverfassungsrechtlicher, also kollektiver Art, ist er nicht vermögensrechtlicher Natur. In Ermangelung spezifischer Wertvorschriften ist der Gegenstandswert gemäß § 23 Abs. 3 RVG nach billigem Ermessen zu bestimmen.

2. Die Wertfestsetzung nach billigem Ermessen kommt im Anwendungsbereich des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG grundsätzlich erst hinter allen sonstigen Bewertungsfaktoren zum Zuge. Wo ein objektiver Wert festgestellt werden kann, kommt es in erster Linie auf die Feststellung dieses Wertes an.

3. Die auf der Ebene der Landesarbeitsgerichte eingerichtete Streitwertkommission hat einen Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit erarbeitet. Dieser entfaltet zwar keine rechtliche Bindungswirkung, stellt aber eine ausgewogene und mit den gesetzlichen Vorgaben übereinstimmende Orientierung für die Arbeitsgerichte dar.

 

Normenkette

RVG §§ 33, 23 Abs. 3; GKG § 42 Nr. 2; BetrVG §§ 99, 111; Streitwertkatalog Arbeitsgerichtsbarkeit Teil II Nr. 14.4

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 28.10.2022; Aktenzeichen 12 BV 9/22)

 

Tenor

Die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 28. Oktober 2022 - 12 BV 9/22 - wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Im Ausgangsverfahren stritten die Beteiligten über die Zustimmung des Betriebsrats zu einer Versetzung.

Die Arbeitgeberin beabsichtigte, den bislang in der Abteilung Kundeneingang zu einem Bruttomonatsentgelt von 3.552,00 € beschäftigten Arbeitnehmer N. auf die Position eines Substituten Kundeneingang unter Leitung der Abteilungsleitung Checkout unter Beibehaltung des monatlichen Bruttoentgelts zu versetzen. Auf eine entsprechende Anhörung durch die Arbeitgeberin wurde eine Zustimmung zur Versetzung gemäß § 99 BetrVG durch den zu 2. beteiligten Betriebsrat nicht erteilt.

Die Arbeitgeberin leitete daraufhin beim Arbeitsgericht Hamburg das vorliegende Verfahren ein und kündigte den Antrag an, die Zustimmung zur Versetzung des Herrn N. ersetzen zu lassen.

Mit Schriftsatz vom 15. September 2022 nahm die Arbeitgeberin den Antrag zurück und das Arbeitsgericht hat daraufhin mit Beschluss vom 20. September 2022 - 12 BV 9/22 - das Verfahren eingestellt.

Mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2022 beantragte der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats die Festsetzung eines Gegenstandswertes auf 7.104,00 € (entsprechend dem zweifachen Bruttomonatsgehalt des Arbeitnehmers N.) und führte aus, der beantragte Streitwert orientiere sich an der Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Hamburg sowie Ziffer 14.4 des Streitwertkataloges für die Arbeitsgerichtsbarkeit. Die Angelegenheit habe eine erhebliche Bedeutung, da mit der Versetzung zugleich ein Streit zwischen dem Betriebsrat und der Arbeitgeberin über eine geplante Umorganisation innerhalb des Großmarktes verbunden gewesen sei. Die Versetzung habe arbeitgeberseitig dazu gedient, eine Organisationsänderung in Form der Unterstellung des Bereiches Kundeneingang in den Bereich Check - Out zur Durchführung zu bringen, ohne dass der Betriebsrat in die diesbezüglich mögliche Betriebsänderung gemäß § 111 BetrVG eingebunden gewesen wäre.

Die Arbeitgeberin führte aus, sie halte einen Streitwert von 5.000,00 € angemessen.

Mit Beschluss vom 28. Oktober 2022 - 9 BV 9/22 - hat das Arbeitsgericht den Gegenstandswert für das Verfahren auf 3.552,00 € festgesetzt und dabei in der Begründung ua. ausgeführt, für einen Zustimmungsersetzungsantrag zur Versetzung sei entsprechend der Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Hamburg (z.B. Beschluss vom 18. September 2013 - 4 Ta 13/13 -), ein Bruttomonatsgehalt des betroffenen Mitarbeiters anzusetzen. Eine grundsätzliche Bedeutung bei einer reinen Einzelmaßnahme sei nicht erkenntlich. Soweit der Bevollmächtigte des Betriebsrats auf den Streitwertkatalog verweise, sei ein Rückgriff auf diesen ungeeignet. Die Empfehlungen der mandatslos eingerichteten sog. "Streitwertkommission" seien nicht bindend. Sie seien weder Rechtssätze noch Rechtsprechung und mangels eigener Argumentation für die Rechtsanwendung ungeeignet

Der Beschluss ist dem Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats am 21. November 2022 zugestellt worden.

Mit der am 23. November 2022 beim Arbeitsgericht eingegangenen Beschwerde wendet sich der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats gegen die Festsetzung des Gegenstandswertes und trug zur Beschwerdebegründung vor, das Arbeitsgericht habe den Gegenstands...

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