Rz. 59

Die Verfahrensgebühr ist eine Wertgebühr i.S.d. § 13 RVG. Sie entsteht gem. Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 2 VV für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information und beträgt nach Nr. 3100 VV in der 1. Instanz grundsätzlich und ungeachtet des Umfangs und der Schwierigkeit der Tätigkeit 1,3. Sie umfasst die gesamte Tätigkeit des Anwalts vom Auftrag bis zum Ende des Rechtszugs.[114]

 

Rz. 60

Die Verfahrensgebühr entsteht bereits dann, wenn der Auftraggeber den Anwalt im Innenverhältnis zum Prozess- bzw. Verfahrensbevollmächtigten bestellt hat, d.h. wenn der Anwalt auftragsgemäß in einem von Teil 3 VV erfassten Verfahren seine Tätigkeit aufnimmt. Es kommt nicht darauf an, ob der Anwalt nach außen aufgetreten ist und sich z.B. bei Gericht für den Mandanten bestellt hat, denn schon mit der Entgegennahme der Information beginnt das von der Verfahrensgebühr abgegoltene Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Welche Tätigkeiten der Anwalt entfaltet hat, kann jedoch für die Höhe der Verfahrensgebühr von Bedeutung sein.[115] Der Anwalt hat die volle Verfahrensgebühr von 1,3 verdient, wenn er einen Sachantrag gestellt, z.B. die Klageabweisung beantragt hat.[116] Nach Nr. 3101 VV steht es einem Sachantrag gleich, wenn der Anwalt einen Schriftsatz erhält oder einreicht, der Sachvortrag, die Rücknahme der Klage oder einen Antrag enthält. In diesen Fällen oder beim Wahrnehmen eines gerichtlichen Termins erhält der Anwalt die volle Verfahrensgebühr von 1,3. Einen abgesenkten Gebührensatz von 0,8 hingegen sieht Nr. 3101 VV bei vorzeitiger Beendigung des Auftrags vor. Eine vorzeitige Erledigung in diesem Sinne liegt vor, wenn der Auftrag endet, bevor der Anwalt die Klage, den ein Verfahren einleitenden Antrag oder einen Schriftsatz, der Sachanträge, Sachvortrag, die Zurücknahme der Klage oder die Zurücknahme des Antrags enthält, eingereicht hat oder bevor er für seine Partei einen Termin wahrgenommen hat.

Wenn schon Sachanträge gestellt wurden, ist es also für die vorzeitige Beendigung zu spät und die reguläre (nicht abgesenkte) Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV ist verdient. Der Anwalt des Klägers hat daher auf jeden Fall Anspruch auf eine volle Verfahrensgebühr, wenn er auftragsgemäß Klage beim Arbeitsgericht oder umgekehrt, wenn er einen Schriftsatz eingereicht hat, mit dem er auftragsgemäß zur Sache vorträgt oder die Klageabweisung beantragt.

 

Rz. 61

 

Praxishinweis

Hat der Arbeitnehmer seine Klage zunächst selbst bei der Rechtsantragsstelle des Gerichts erhoben oder durch die Gewerkschaft eingereicht und will er sich in Zukunft durch einen Anwalt vertreten lassen, erhält dieser schon für die Entgegennahme von Informationen zu diesem Verfahren eine Verfahrensgebühr.

Zu prüfen ist sodann, ob der Gebührensatz nach Nr. 3100 VV 1,3 beträgt oder ob Nr. 3101 Nr. 1 VV eingreift. Da die Sachanträge den Streitgegenstand bestimmen, sollten schon gestellte Anträge und die Parteibezeichnung bei der Mandatsannahme sorgfältig geprüft und erforderlichenfalls neu formuliert werden.

 

Rz. 62

Für den in der Praxis regelmäßig vorkommenden Fall, dass Verhandlungen vor Gericht zur Einigung der Parteien oder der Beteiligten oder mit Dritten über in diesem Verfahren nicht rechtshängige Ansprüche geführt werden, oder wenn beantragt ist, eine Einigung über solche Ansprüche zu Protokoll zu nehmen oder nach § 278 Abs. 6 ZPO festzustellen, sieht Nr. 3101 Nr. 2 VV eine zusätzliche Verfahrensdifferenzgebühr von 0,8 vor (siehe Rdn 85 ff.).

 

Rz. 63

Auch wenn er für mehrere Auftraggeber tätig wird, erhält der Anwalt die Verfahrensgebühr gem. § 7 Abs. 1 RVG in derselben Angelegenheit nur einmal. Die Verfahrensgebühr erhöht sich nach Nr. 1008 VV aber für jeden weiteren Auftraggeber um 0,3.[117] Handelt es sich hingegen nicht um dieselbe, sondern um eine oder mehrere andere Angelegenheiten (vgl. Rdn 22), gilt weder § 7 Abs. 1 RVG noch Nr. 1008 VV und bekommt jeder Auftraggeber losgelöst von der Angelegenheit des anderen Auftraggebers eine eigene Rechnung. Nr. 1008 VV kommt beispielsweise dann zum Tragen, wenn der Anwalt eine Konzernmutter und deren Konzerntochter oder eine KG und deren Komplementärin vertritt, die gemeinsam verklagt werden.

Die Erhöhung bei mehreren Auftraggebern ist durch Nr. 1008 Abs. 3 VV gedeckelt. Danach dürfen mehrere Erhöhungen den Gebührensatz von 2,0 nicht übersteigen, sodass die Verfahrensgebühr insgesamt maximal 3,3 (1,3 + 2,0) betragen kann.

 

Rz. 64

 

Beispiel

Der Anwalt vertritt acht Gesellschafter einer OHG, die allesamt persönlich von einem Arbeitnehmer verklagt werden. Für die Vertretung des ersten Beklagten erhält der Anwalt eine 1,3 Verfahrensgebühr. Diese Gebühr erhöht sich für jeden weiteren Gesellschafter um 0,3. Bei der Vertretung von zwei Gesellschaftern erhält der Anwalt also eine Verfahrensgebühr von insgesamt (1,3 + 0,3 =) 1,6. Bei acht Gesellschaftern ist die Erhöhung nach Nr. 1008 Abs. 3 VV auf 2,0 gedeckelt, sie liegt also bei (1,3 + 2,0 =) 3,3 und nicht bei (1,3 + 7 × 0,3 =) 3,4.

 

Rz. 65

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