Rz. 1

Eine Fußgängerzone kann durch Umwidmung und Teileinziehung[1] eingerichtet werden. Die Errichtung einer Fußgängerzone kann auch durch einen Bebauungsplan festgesetzt werden.[2] Erforderlich ist, dass tatsächlich die erforderliche rechtsstaatliche Abwägung der einander gegenüberstehenden Interessen stattfindet.[3] In dem so festgesetzten Fußgängerbereich besitzt die Sicherheit des Fußgängerverkehrs einen besonderen Vorrang. Durch die Schaffung einer grundsätzlich dem Fußgängerverkehr vorbehaltenen Zone soll eine auf Dauer angelegte nachhaltige Ordnung des Gesamtverkehrs bewirkt werden, die die Fußgänger in ihrer Gesamtheit davor schützt, durch Kfz überrascht, erschreckt oder gefährdet zu werden.[4]

 

Rz. 2

Bei der Errichtung einer Fußgängerzone sind zunächst die hierbei betroffenen unterschiedlichen Regelungsgehalte von Straßenverkehrsrecht und Straßenrecht zu beachten.[5]

 

Rz. 3

Straßenverkehrsrecht ist sachlich begrenztes Ordnungsrecht. Straßenverkehrliche Beschränkungen fallen in die Zuständigkeit der Straßenverkehrsbehörde. Die zu regelnden Belange ergeben sich primär aus der StVO und zielen auf die Ordnung der Verkehre und die Vermeidung von Gefährdungen ab.

 

Rz. 4

Straßenrecht hat indes die baulichen Gegebenheiten der Verkehrsfläche sowie die sich daraus ergebenen Möglichkeiten und deren Grenzen im Blick. Mit der Widmung kann der Straßenbaulastträger die konkrete Zweckbestimmung bestimmter Areale (z.B. Fahrbahn, Rad- und Gehweg oder Sperrfläche) festlegen und eine Verkehrsanlage für alle oder bestimmte Verkehrsarten eröffnen oder solche ausschließen, so etwa in einer Fußgängerzone alle anderen Verkehrsarten als den Fußgängerverkehr. Ein Zwang, alle oder jedenfalls möglichst viele Verkehrsarten zur optimalen Ausschöpfung der verkehrlichen Potentiale der Verkehrsfläche zuzulassen, besteht nicht. Bei den Überlegungen zur Widmung bzw. (Teil-) Einziehung der Straßenfläche ist die Kommune auch nicht auf straßenrechtliche Erwägungen im engeren Sinne beschränkt, sondern kann andere, beispielsweise ortsplanerische, Gesichtspunkte einbeziehen.[6] Sie muss auch nicht in Bereichen, in denen die Straßenverkehrsbehörde regelnd tätig werden könnte, untätig bleiben, wenn sie hinsichtlich der Frage, welche Verkehre sie auf den gemeindlichen Straßen zulässt, eigene Zielsetzungen verfolgen will. Des Nachweises, dass straßenverkehrliche Regelungen nicht ausreichend wären oder sich gar bereits als unzureichend erwiesen haben, bedarf es nicht.[7]

 

Rz. 5

Für das Verhältnis von Straßenrecht und Straßenverkehrsrecht gilt anerkanntermaßen die Formel vom "Vorbehalt des Straßenrechts bei Vorrang des Straßenverkehrsrechts".[8] So ist es der Behörde daher grundsätzlich z.B. nicht verwehrt, ein verkehrsberuhigtes innerörtliches Areal mit dem Ziel zu schaffen, während der touristischen Hauptsaison das – insbesondere vom Radverkehr – ungestörte Flanieren von Fußgängern zu ermöglichen, um auf diese Weise kommunikativen Aspekten der Straßennutzung Vorrang gegenüber verkehrlichen Zwecken einzuräumen und damit – was letztlich hinter ihren Erwägungen zur Entflechtung der Verkehrsarten und zur Vermeidung von Lärm- und Abgasbelästigungen steht – spezifische planerische Absichten zu ihrer innerörtlichen Entwicklung zu verfolgen.[9] Nicht zu beanstanden ist es, wenn die Kommune in diesem Zusammenhang Gesichtspunkte der Verkehrssicherheit in ihre Erwägungen einfließen lässt, auch wenn diese Sicherheitsaspekte zugleich Gegenstand straßenverkehrlicher Regelungen sein können.[10] Die jeweils einschlägige landesrechtliche Ermächtigung zur (Teil-) Einziehung,[11] die den unbestimmten Rechtsbegriff der überwiegenden Gründe des öffentlichen Wohles verwendet und damit nicht an den ordnungsrechtlichen Sicherheitsbegriff anknüpft, setzt das Überschreiten der Gefahrschwelle i.S.d. Vorliegens einer konkreten Verkehrsgefährdung indes nicht voraus. Aus dem Fehlen eines derartigen Nachweises kann dementsprechend die Rechtswidrigkeit der Teileinziehung nicht abgeleitet werden.[12]

[1] Speziell dazu: NdsOVG, Beschl. v. 29.12.2015 – 7 ME 53/15, NVwZ-RR 2016, 411.
[2] Zu Widmung, Einziehung, Teileinziehung, Umstufung und insbesondere zum Rechtsschutz hierbei siehe auch § 52 Rdn 11 ff. Zum Rechtsschutz gegen Verkehrszeichen siehe § 41 Rdn 1 ff. Zum Rechtsschutz allgemein vgl. § 55 Rdn 1 ff. und die darauffolgenden Kapitel.
[3] Sauthoff, NVwZ 1995, 119, 123; Sauthoff., NVwZ 1998, 252.
[4] Vgl. auch BVerwG NJW 1994, 1080 = NZV 1994, 125 = DVBl 1994, 345 = DÖV 1994, 345 = zfs 1994, 112 – Ls.
[5] NdsOVG, Beschl. v. 29.12.2015 – 7 ME 53/15, NVwZ-RR 2016, 411 unter Hinweis auf BVerfG, Beschl. v. 10.12.1975 – 1 BvR 118/71, juris Rn 28 ff.
[6] NdsOVG, B. v. 29.12.2015 – 7 ME 53/15, NVwZ-RR 2016, 411 unter Hinweis auf Kodal, Straßenrecht, 7. Aufl. 2010, Kap. 11 Rn 53.1 u. 53.3.
[7] NdsOVG, B. v. 29.12.2015 – 7 ME 53/15, NVwZ-RR 2016, 411 unter Hinweis auf Kodal, Straßenrecht, 7. Aufl. 2010, Kap. 11 Rn 53.4.
[8] NdsOVG, B. v. 29.12.2015 – 7 ME 53/15, NVwZ-RR 2016, 411 unter Hinweis au...

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