Rz. 1

Amtliche Verkehrszeichen i.S.d. §§ 41 und 42 StVO sind anfechtbare Verwaltungsakte in Form der Allgemeinverfügung (§ 35 S. 2 VwVfG). Sie verkörpern die ihnen zugrunde liegenden Anordnungen und werden mit ihrem Aufstellen (vgl. §§ 39 Abs. 1, 45 Abs. 4 StVO) gegenüber den Verkehrsteilnehmern, die sich den von ihnen erfassten Streckenabschnitten nähern, bekannt gemacht und damit fortlaufend neu erlassen.[1] Verkehrszeichen werden gemäß § 43 Abs. 1 S. 1 VwVfG gegenüber dem Verkehrsteilnehmer in dem Zeitpunkt wirksam, in dem sie ihm bekanntgegeben werden. Sind Verkehrszeichen so aufgestellt oder angebracht, dass sie ein durchschnittlicher Verkehrsteilnehmer bei Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt schon mit einem raschen und beiläufigen Blick erfassen kann, äußern sie ihre Rechtswirkungen gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer.[2]

[1] Vgl. z.B. BVerwG, Urt. v. 9.6.1967 – VII C 18.66, BVerwGE 27, 181; Urt. v. 13.12.1974 – VII C 19.71, VRS 49, 70; BayVGH, Urt. v. 12.4.2016 – 11 B 15.2180.

I. Gegenstand der Anfechtung; Vorverfahren

 

Rz. 2

Nicht nur rechtswidrige, sondern auch nichtige Verwaltungsakte sind anfechtbar.[3] Widerspruch und Anfechtungsklage haben aber entgegen der Grundregel des § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 analog VwGO keine aufschiebende Wirkung.

 

Rz. 3

Verkehrseinrichtungen können, soweit von ihnen für den Verkehrsteilnehmer Gebote oder Verbote ausgehen, mit Anfechtungswiderspruch und Anfechtungsklage angegriffen werden.

 

Rz. 4

Dies gilt z.B. zunächst für die Lichtzeichenanlage, von der durch Abgabe von Wechsellichtzeichen (vgl. § 37 StVO) verkehrsregelnde Maßnahmen ausgehen. Auch Parkuhren beinhalten nach Ablauf der Parkzeit, oder sofern sie nicht bedient wurden, ein immanentes Wegfahrgebot. Aufgrund eines aufgestellten Parkscheinautomaten (§ 13 Abs. 1 S. 1 StVO) und der auf die Parkscheinpflicht hinweisenden Schilder ist der Verkehrsteilnehmer verpflichtet, sein insoweit verbotswidrig abgestelltes Fahrzeug zu entfernen.

 

Rz. 5

Auch sofern Verkehrszeichen für den Verkehrsteilnehmer ein Gebot oder ein Verbot beinhalten, muss grundsätzlich vor Erhebung von Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage ein Widerspruchsverfahren durchgeführt werden (§ 68 Abs. 1 und 2 VwGO). Der Widerspruch kann bei der Behörde erhoben werden, die die Aufstellung des Verkehrszeichens angeordnet hat (§ 70 Abs. 1 S. 1 VwGO). Er kann aber auch bei der Widerspruchsbehörde, d.h. in der Regel bei der nächst höheren Behörde, eingelegt werden (§ 70 Abs. 1 S. 2 VwGO).

 

Rz. 6

Ein Widerspruchsverfahren ist aber u.a. dann nicht durchzuführen, wenn es landesrechtlich nicht vorgesehen ist (vgl. z.B. Art. 15 Abs. 2 BayAGVwGO i.V.m. § 68 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 VwGO; dazu vgl. § 55 Rdn 1 ff.) oder wenn der VA von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist. Dies gilt aber wiederum dann nicht, wenn ein Gesetz in einem solchen Fall eine Nachprüfung ausdrücklich vorgesehen hat (§ 68 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 VwGO). Wer oberste Landesbehörde ist, ergibt sich aus der jeweiligen Landesorganisation. Ist ein Ministerium als oberste Landesbehörde zum Erlass einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf der BAB zuständig,[4] so ist kein Vorverfahren durchzuführen. Ist hingegen ein Landesamt, das nicht oberste Landesbehörde ist, für Geschwindigkeitsbeschränkung zuständig und hat dieses die entsprechende Anordnung getroffen,[5] so ist vor Klageerhebung zunächst ein Vorverfahren durchzuführen.

 

Rz. 7

Endet das vor der Verwaltungsbehörde durchzuführende Widerspruchsverfahren mit der Zurückweisung des Widerspruchs oder ist ein Widerspruch ausnahmsweise nicht statthaft, so bleibt dem Verkehrsteilnehmer dann die Möglichkeit der Klage zum zuständigen VG. Welches VG für die Klage zuständig ist, ergibt sich aus der dem Widerspruchsbescheid beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung (§ 73 Abs. 3 VwGO). Unterbleibt eine derartige Rechtsbehelfsbelehrung oder ist sie fehlerhaft, so verlängert sich die Klagefrist auf ein Jahr (§ 58 Abs. 2 VwGO).

Für die Anfechtung des Verkehrszeichens bedeutet dies: Nach § 74 Abs. 1 S. 1 VwGO muss die Anfechtungsklage innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Nach § 74 Abs. 1 S. 2 VwGO ist die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben, wenn – wie z.B. nach Art. 15 Abs. 2 BayAGVwGO i.V.m. § 68 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 VwGO – die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens nicht erforderlich ist. Die Berechnung der Klagefrist richtet sich nach § 57 VwGO; mangels Rechtsmittelbelehrung beträgt die Klagefrist bei Anfechtung amtlicher Verkehrszeichen ein Jahr, § 58 Abs. 2 VwGO. Die Frist ist gewahrt, wenn die Klage innerhalb eines Jahres seit Aufstellung der Verkehrsschilder erhoben wurde.[6]

[3] Kopp/Schenke, § 42 Rn 3.
[4] Wie im Fall des HessVGH zfs 1999, 267, 268 das damalige Hess. Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung.
[5] So im Fall des BVerwG zfs 1999, 265, Vorinstanz: OVG SH VerkMitt. 1999, 19; vgl. auch VG...

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