Rz. 62

Nach § 2111 Abs. 1 S. 1 BGB gebühren dem Vorerben die Nutzungen, während er im Gegenzug die gewöhnlichen Erhaltungskosten zu tragen hat (§ 2124 Abs. 1 BGB). Was Nutzungen sind, ergibt sich aus §§ 99, 100 BGB (Früchte und Gebrauchsvorteile). Dem Vorerben stehen die Nutzungen für die Zeit vom Erbfall bis zum Nacherbfall zu. Die zeitliche Verteilung wird durch § 101 BGB geregelt. Der Erblasser kann die Nutzungsverteilung zwischen Vor- und Nacherbe abweichend regeln, insbesondere dem Nacherben durch Vermächtnis einzelne Nutzungen zuweisen.

 

Rz. 63

Zu beachten ist, dass der gesamte Nachlass als wirtschaftliche Einheit zu betrachten ist. Dies ist dann entscheidend, wenn im Abrechnungszeitraum (regelmäßig das Kalenderjahr) in Teilen des Vermögens Gewinne und in anderen Teilen Verluste anfallen. Dann ist es im Wege der ordnungsgemäßen Verwaltung Aufgabe des Vorerben, mit den Gewinnen Verluste auszugleichen, bevor Überschüsse als Nutzung gezogen werden können. Verluste aus früheren Jahren sind mit Gewinnen aus dem laufenden Jahr zunächst zu decken. Andererseits ist der Vorerbe nicht verpflichtet, einmal berechtigt gezogene Nutzungen in den Folgenjahren zum Verlustausgleich heranzuziehen. Der Vorerbe wäre sonst nie sicher, gezogene Nutzungen auch behalten zu dürfen und nicht im Nacherbfall Schadensersatz leisten zu müssen.[76]

 

Rz. 64

Die gewöhnlichen Erhaltungskosten werden analog des Nießbrauchsrechts bestimmt. Die Parameter hierzu hat der BGH in zwei Entscheidungen 1993 und 2004 festgehalten:

Gewöhnliche Erhaltungskosten, die gem. § 2124 Abs. 1 BGB dem Vorerben zur Last fallen, sind diejenigen Kosten, die nach den rechtlichen und wirtschaftlichen Umständen des Nachlasses regelmäßig aufgewendet werden müssen, um das Vermögen in seinen Gegenständen tatsächlich und rechtlich zu erhalten. Die Frage, welche Maßnahmen sich aus den Erträgen bezahlen lassen, die das Objekt im Laufe mehrerer Jahre abwirft, bietet kein geeignetes Kriterium für die Abgrenzung der gewöhnlichen von den außergewöhnlichen Erhaltungskosten: Im Fall einer Immobilie wurde konkretisiert, dass der Einbau einer modernen Heizungsanlage sowie von Isolierglasfenstern in ein Mietshaus "andere Aufwendungen" sind, die aus dem Nachlass bestritten werden können.[77] Zudem stellt der BGH klar, dass die Tilgung von Grundpfandrechten, die bereits der Erblasser aufgenommen hatte, außergewöhnliche Aufwendungen sind, die letztlich nicht den Vorerben treffen dürfen.[78]

[76] MüKo-BGB/Lieder, § 2111 Rn 44.

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