Rz. 75

Die Gebühr für eine erste Beratung nach § 34 Abs. 1 S. 1 RVG ist auf eine Gebühr für eine sonstige Tätigkeit anzurechnen, die mit der Beratung zusammenhängt, § 34 Abs. 2 RVG. Die Anrechnungsvorschrift gilt auch für eine vereinbarte Vergütung.

 

Rz. 76

Anzurechnen ist nach meiner Auffassung nur auf eine folgende Betriebsgebühr, wie z.B. eine Geschäfts- oder Verfahrensgebühr, nicht aber auch noch auf weitere Gebühren. Eine Betriebsgebühr – und um eine solche handelt es sich nach meiner Auffassung auch bei der vereinbarten Gebühr für eine Beratung – kann aber immer nur auf eine Betriebsgebühr und nicht auf andere Gebühren angerechnet werden. So wird auch im gesamten RVG konsequenterweise eine Geschäftsgebühr immer nur auf eine Verfahrensgebühr und eine Terminsgebühr nur auf eine Terminsgebühr angerechnet.

 

Rz. 77

 

Praxistipp

Zur Vermeidung von Streitigkeiten mit dem Auftraggeber sollte die Anrechnung jeder Gebühr für eine Beratung, d.h. sowohl der vereinbarten Gebühr als auch der Kappungsbeträge aus § 34 Abs. 1 S 3 RVG ausgeschlossen werden. Entscheidet sich der Anwalt später aus Gefälligkeit eine Anrechnung doch vorzunehmen, ist er zumindest frei in der Entscheidung was und wie viel er anrechnen möchte.

 

Rz. 78

Liegen zwischen Beratung und weitergehender Tätigkeit mehr als zwei Kalenderjahre, entfällt die Pflicht zur Anrechnung, § 15 Abs. 5 S. 2 RVG.

Sind der Gegenstand der weiteren Beratung und der der ersten Beratung nicht identisch, hat die Anrechnung auch nur insoweit zu erfolgen, als Gegenstandsidentität gegeben ist. Es stellt sich die Frage, wie anzurechnen ist, wenn der Gegenstand der Beratung und der Gegenstand einer außergerichtlichen Tätigkeit nicht identisch sind.

 

Rz. 79

Muster 4: Musterrechnung 4.4: Beratung und weitergehende außergerichtliche Tätigkeit

 

Musterrechnung 4.4: Beratung und weitergehende außergerichtliche Tätigkeit

Beratung aus 10.000,00 EUR (erste Beratung) – hierfür vereinbart: Stundensatz 250,00 EUR

1 Stunde Tätigkeit

Außergerichtliche Tätigkeit aus 4.000,00 EUR (Hinweis: Der Gegenstand der außergerichtlichen Tätigkeit war auch vollumfänglich Gegenstand der Beratung)

Beratung:

 
Vereinbarte Gebühr, § 34 Abs. 1 RVG i.V.m. § 612 Abs. 2 BGB 250,00 EUR
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Zwischensumme 270,00 EUR
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 51,30 EUR
Summe 321,30 EUR

Außergerichtliche Vertretung:

Gegenstandswert: 4.000,00 EUR

 
1,3 Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG 327,60 EUR
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Zwischensumme 347,60 EUR
abzüglich vereinbarte Gebühr, § 34 Abs. 2 RVG ./. 250,00 EUR
Zwischensumme 97,60 EUR
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 18,54 EUR
Summe 116,14 EUR
 

Rz. 80

Wie ist zu rechnen, wenn der Gegenstand der außergerichtlichen Tätigkeit höher ist, als der Gegenstand der Beratung?

Muster 5: Musterrechnung 4.5: Erste Beratung und weitergehende Tätigkeit – unterschiedliche Werte

 

Musterrechnung 4.5: Erste Beratung und weitergehende Tätigkeit – unterschiedliche Werte

Erstmalige mündliche Beratung wg. Ehescheidung (Wert: 40.000,00 EUR), Ehegattenunterhalt (Wert: 6.000,00 EUR) und Versorgungsausgleich (Wert: 4.000,00 EUR) und gemeinsam gekaufter Immobilie (Wert: 250.000,00 EUR). Nach der ersten Beratung, für die eine Gebühr über 250,00 vereinbart worden ist, erfolgt einige Wochen später eine gerichtliche Tätigkeit wg. der Ehescheidung, dem Ehegattenunterhalt und Versorgungsausgleich. Die Immobilie wird nicht Gegenstand der weitergehenden anwaltlichen Tätigkeit.

1. Beratung

 
Vereinbarte Gebühr, § 34 Abs. 1 RVG i.V.m. § 612 Abs. 2 BGB 250,00 EUR
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Zwischensumme 270,00 EUR
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 51,30 EUR
Summe 321,30 EUR

Anrechnungsformel:

Gebührenbetrag (250,00 EUR) dividiert durch Wert der Beratung (300.000,00 EUR) multipliziert mit dem Wert der gerichtlichen Tätigkeit (51.000,00 EUR) = anzurechnender Betrag aus der Beratungsgebühr.

2. Gerichtliche Tätigkeit

1,3 Verfahrensgebühr aus 51.000,00 EUR

 
Nr. 3100 VV RVG 1.622,40 EUR
abzgl. anteilig Erstberatung aus Wert 51.000,00 EUR ./. 42,50 EUR
Zwischensumme 1.579,90 EUR
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Zwischensumme 1.599,90 EUR
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 303,98 EUR
Summe 1.903,88 EUR
 

Rz. 81

 

Formulierungshilfen

1. Ausschluss einer Anrechnung

Die vereinbarte Gebühr gilt die reine Beratungstätigkeit des Rechtsanwalts ab. Sofern zu einem späteren Zeitpunkt eine außergerichtliche oder gerichtliche Vertretung in derselben Angelegenheit neue Gebühren auslöst, vereinbaren Rechtsanwalt und Mandant, dass eine Anrechnung der vereinbarten Vergütung ausgeschlossen wird. Das bedeutet, dass die Vergütung für eine Vertretung ungekürzt in Rechnung gestellt werden kann.

2. Ausschluss der Anrechnung auf andere als auf Betriebsgebühren

Die vereinbarte Gebühr gilt die reine Beratungstätigkeit des Rechtsanwalts ab. Sofern zu einem späteren Zeitpunkt eine außergerichtliche oder gerichtliche Vertretung in derselben Angelegenheit neue Gebühren auslöst, vereinbaren Rechtsa...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge