Rz. 206

Die Voraussetzungen für das Entstehen einer Einigungsgebühr sind:

Bestehen eines Rechtsverhältnisses und Streit hierüber oder Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis und
Erledigung des Streits oder der Ungewissheit oder
Erfüllung des Anspruchs bei gleichzeitigem vorläufigem Verzicht auf die gerichtliche Geltendmachung und, wenn bereits ein zur Zwangsvollstreckung geeigneter Titel vorliegt, bei gleichzeitigem vorläufigem Verzicht auf Vollstreckungsmaßnahmen geregelt wird (Zahlungsvereinbarung) und
wirksamer Vertrag über die Erledigung und
Mitwirkung des Rechtsanwalts am Zustandekommen des Vertrages oder Teilnahme an Vertragsverhandlungen, die ursächlich für das Zustandekommen waren.

Eine besondere Form der Einigung/des Vergleichs ist nicht notwendig, es sei denn, es ist für den Inhalt eine entsprechende Form vorgeschrieben (Versorgungsausgleich/Güterrecht/Grundstücksgeschäfte).

a) Kein gegenseitiges Nachgeben erforderlich

 

Rz. 207

Die frühere Vergleichsgebühr aus § 23 BRAGO wurde erheblich modifiziert. Der Rechtsanwalt erhält eine Einigungsgebühr in Höhe von 1,5. Sie ist in Nr. 1000 VV RVG geregelt und findet sich in Teil 1 "Allgemeine Gebühren". Diese Gebühren des Teil 1 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG erhält der Rechtsanwalt laut Vorbemerkung 1 neben den in anderen Teilen bestimmten Gebühren.

 

Rz. 208

Obwohl der Gesetzgeber für den Anfall der Einigungsgebühr ein gegenseitiges Nachgeben nicht mehr fordert, weist Schneider darauf hin, dass bei Vereinbarungen über den Zugewinnausgleich oder den Versorgungsausgleich die Notwendigkeit des gegenseitigen Nachgebens für den Anfall der Einigungsgebühr weiterhin erforderlich sein könnte,[155] da weitere Voraussetzung für die Einigungsgebühr auch die Wirksamkeit des Vertrags sei. Weil aber eine wirksame Vereinbarung nur aufgrund notarieller Beurkundung oder durch gerichtliche Protokollierung eines Vergleichs möglich ist (§ 127a BGB), käme es bei gerichtlicher Protokollierung aufgrund des Wortlauts in § 127a BGB (dort ist von einem Vergleich die Rede, entsprechend wird in Palandt kommentiert) wiederum auf ein gegenseitiges Nachgeben an. Kindermann ist zu Recht der Ansicht, dass eine Unterscheidung durch den Gesetzgeber nicht gewollt ist, und daher die Einigungsgebühr auch bei gerichtlicher Protokollierung aus dem Wert von Zugewinnausgleich und Versorgungsausgleich entstehen kann.[156] Zum Meinungsstand bei Verzicht auf den Versorgungsausgleich vgl. § 4 Rdn 250 ff.

 

Rz. 209

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass auch in § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf einen Vergleich abgestellt wird, so dass bei Einigungen, die vor Gericht protokolliert werden, wohl generell die Bezeichnung Vergleich beibehalten wird, um Nachteile in der Zwangsvollstreckung zu vermeiden.

 

Rz. 210

Auch in den Gerichtskostenermäßigungstatbeständen, so z.B. Nr. 1211 KV GKG wird von einem Vergleich gesprochen, wobei nach Ansicht der Verfasserin auch die Einigung, die zur Beendigung eines gerichtlichen Verfahrens führt, die Gerichtskosten ermäßigen dürfte.

 

Rz. 211

Bei einem Vergleich i.S.d. § 779 BGB ist umgekehrt immer von einer Einigung auszugehen.

[155] Schneider, FamRB 2004, 195, 197.
[156] Kindermann, Rn 372.

b) Streit oder Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis

 

Rz. 212

Eine Einigungsgebühr kann nur entstehen, wenn durch die Mitwirkung des Rechtsanwalts an einem wirksamen Vertrag Streit oder zumindest Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beendet wird. Dies bedeutet, dass für die Mitwirkung an rechtsbegründenden Verträgen die Einigungsgebühr nicht entstehen kann, es sei denn, zumindest eine Partei hat sich zuvor einer Rechtsposition berühmt.[157] "Die Ausarbeitung des Entwurfs eines Vertrags, der danach abgeschlossen wird, kann – sofern damit eine auf ein Rechtsverhältnis bezogene Unsicherheit beseitigt wird – eine Mitwirkung beim Abschluss eines Einigungsvertrags im Sinne der Nr. 1000 VV RVG bedeuten.", so der BGH am 20.11.2008 in einer wichtigen Entscheidung.[158]

c) Anerkenntnis oder Verzicht

 

Rz. 213

Die Einigungsgebühr erhält der Rechtsanwalt nach Abs. 1 S. 2 der Anmerkung zu Nr. 1000 VV RVG nicht, wenn sich die Tätigkeit ausschließlich auf ein

Anerkenntnis oder einen
Verzicht beschränkt.

d) Aufschiebende Bedingung/Widerruf – Vereinbarung "für den Fall der Scheidung"

 

Rz. 214

Der Rechtsanwalt erhält die Einigungsgebühr nicht, wenn ein Vertrag unter einer aufschiebenden Bedingung oder unter Vorbehalt des Widerrufs geschlossen wird und die Bedingung nicht eintritt bzw. der Vertrag widerrufen wird, Absatz 3 der Anmerkung zu Nr. 1000 VV RVG.

 

Rz. 215

Dies bedeutet, dass bei einer Trennungs- oder Scheidungsfolgenvereinbarung z.B. über nachehelichen Unterhalt, die für den Fall der Scheidung geschlossen wird, eine Einigungsgebühr erst dann entsteht, wenn die Scheidung rechtskräftig ist. Wird hingegen eine Gütertrennung notariell beurkundet, nachdem die Ehe geschlossen ist, kann für die Mitwirkung beim Abschluss/bei der Gestaltung des Ehevertrags neben der Geschäftsgebühr die Einigungsgebühr entstehen.

 

Rz. 216

Haben die Parteien beispielsweise unter dem Vorbehalt eines Widerrufs eine Einigung...

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