Rz. 27

 

BGH, Urt. v. 30.3.2011 – XII ZR 3/09

Für die Zeit ab Vollendung des dritten Lebensjahres steht dem betreuenden Elternteil nach der gesetzlichen Neuregelung nur noch dann ein fortdauernder Anspruch auf Betreuungsunterhalt zu, wenn dies der Billigkeit entspricht (§ 1570 Abs. 1 Satz 2 BGB). Damit verlangt die Neuregelung allerdings regelmäßig keinen abrupten Wechsel von der elterlichen Betreuung zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit (BT-Drucks 16/6980 S. 9). Nach Maßgabe der im Gesetz genannten kindbezogenen (§ 1570 Abs. 1 Satz 3 BGB) und elternbezogenen (§ 1570 Abs. 2 BGB) Gründe ist auch nach dem neuen Unterhaltsrecht ein gestufter Übergang bis hin zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit möglich (BGHZ 180, 170 = FamRZ 2009, 770 Rn 20 und vom 15.9.2010 – XII ZR 20/09, FamRZ 2010, 1880 Rn 20).

 

Rz. 28

Ob Verlängerungsgründe vorliegen, ist anhand der Umstände des Einzelfalls festzustellen.

 

BGH, Urt. v. 15.6.2011 – XII ZR 94/09

Mit der Neuregelung des Betreuungsunterhalts durch das Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts vom 21.12.2007 (BGBl I S. 3189) hat der Gesetzgeber einen auf drei Jahre befristeten Basisunterhalt eingeführt, der aus Gründen der Billigkeit verlängert werden kann (BT-Drucks 16/6980 S. 8 f.).

Im Rahmen dieser Billigkeitsentscheidung sind nach dem Willen des Gesetzgebers kind- und elternbezogene Verlängerungsgründe zu berücksichtigen. Dabei wird der Betreuungsunterhalt vor allem im Interesse des Kindes gewährt, um dessen Betreuung und Erziehung sicherzustellen.[2]

Die kindbezogenen Verlängerungsgründe, insbesondere die Betreuungsbedürftigkeit, und die elternbezogenen Verlängerungsgründe als Ausdruck der nachehelichen Solidarität sind vielmehr nach den individuellen Verhältnissen zu ermitteln.[3]

Die Verlängerung des Betreuungsunterhaltsanspruchs über drei Jahre hinaus erfordert:

entweder: kindbezogene Billigkeitsgründe (§ 1570 Abs. 1 S. 2 BGB)
 

§ 1570

Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht.

Dabei sind die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen.

oder: ehebezogene Billigkeitsgründe (§ 1570 Abs. 2 BGB; Stichworte: nacheheliche Solidarität, Vertrauen in eine praktizierte Rollenverteilung und Ehedauer)
 

(2) Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich darüber hinaus, wenn dies unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe der Billigkeit entspricht.

 

Rz. 29

 

BGH, Urt. v. 15.6.2011 – XII ZR 94/09

Wie der Senat bereits wiederholt ausgesprochen hat, verlangt die gesetzliche Neuregelung zwar keinen abrupten Wechsel von der elterlichen Betreuung zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit (vgl. auch BT-Drucks 16/6980 S. 9). Nach Maßgabe der im Gesetz genannten kindbezogenen (§ 1570 Abs. 1 Satz 3 BGB) und elternbezogenen (§ 1570 Abs. 2 BGB) Gründe ist auch nach dem neuen Unterhaltsrecht ein gestufter Übergang bis hin zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit möglich (Urt. v. 30.3.2011 – XII ZR 3/09, FamRZ 2011, 791 Rn 20 m.w.N.). Ein solcher gestufter Übergang setzt aber nach dem Willen des Gesetzgebers voraus, dass der unterhaltsberechtigte Elternteil kind- und/oder elternbezogene Gründe vorträgt, die einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils mit Vollendung des dritten Lebensjahres entgegenstehen (Urt. v. 1.6.2011 – XII ZR 45/09). Nur an solchen individuellen Gründen kann sich der gestufte Übergang im Einzelfall orientieren.

Soweit in Rechtsprechung und Literatur auch zu der seit dem 1.1.2008 geltenden Rechtslage abweichende Auffassungen vertreten werden, die an das frühere Altersphasenmodell anknüpfen und eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts allein oder überwiegend vom Kindesalter abhängig machen, sind diese im Hinblick auf den eindeutigen Willen des Gesetzgebers nicht haltbar (BGHZ 180, 170 = FamRZ 2009, 770 Rn 28).

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