a) Grundsätzliches Verbot haftungsbeschränkender Vereinbarungen zulasten des Verbrauchers (§ 476 Abs. 1 Satz 1 BGB)

 

Rz. 129

Auf eine vor Mitteilung eines Mangels an den Unternehmer getroffene Vereinbarung, die zum Nachteil des Verbrauchers von den §§ 433435, 437, 439441, 443 BGB (Unanwendbarkeit von § 442 BGB auf den Verbrauchsgüterkauf) sowie von den Vorschriften dieses Untertitels (Untertitel 3 – Verbrauchsgüterkauf) – und damit insbesondere § 475b und c BGB – abweicht, kann der Unternehmer sich nach § 476 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht berufen.

b) Ausnahme: negative Beschaffenheitsvereinbarung (§ 476 Abs. 1 Satz 2 BGB)

 

Rz. 130

Von den Anforderungen der objektiven Qualitätsmerkmale nach

§ 434 Abs. 3 BGB,
§ 475b Abs. 4 und 5 BGB oder
§ 475c Abs. 3 BGB (Aktualisierungspflicht)

– d.h. von den objektiven Anforderungen an die Vertragsgemäßheit der Kaufsache – sind beim Verbrauchsgüterkauf Abweichungen zwar grundsätzlich möglich. Diese bedürfen jedoch einer besonderen Form.

 

Rz. 131

Die vertragliche Abweichung, wobei Wilke[335] die Frage aufwirft, "jede einzelne (Abweichung)?", was zu bejahen sein dürfte, die vor Mitteilung eines Mangels an den Unternehmer auftritt, ist nach § 476 Abs. 1 Satz 2 BGB[336] (in Umsetzung von Art. 7 Abs. 5 WKRL,[337] wonach eine hinreichende Flexibilität und Rechtssicherheit geschaffen und den Parteien vor allem auch beim Verkauf von gebrauchten Sachen die Möglichkeit eröffnet werden soll, von den objektiven Anforderungen an die Vertragsmäßigkeit durch eine Vereinbarung abzuweichen) nur dann zulässig, wenn

der Verbraucher vor der Abgabe seiner Vertragserklärung "eigens"[338] (als einem neuen Begriff der Rechtsgeschäftslehre,[339] wodurch vom Verkäufer "ein "Mehr" im Vergleich zu der Übermittlung der anderen vorvertraglichen Informationen verlangt" wird:[340] Unzureichend soll es sein, "die Abweichung nur als eine von mehreren Eigenschaften der Kaufsache in der Produktbeschreibung anzuführen")[341] davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass ein bestimmtes Merkmal der Sache von den objektiven Anforderungen abweicht (Nr. 1:[342] formlose individuelle vorvertragliche Informationsobliegenheit des Unternehmers,[343] die "entsprechende Information [muss] im Vorfeld eines Vertragsschlusses anders als sonstige [behandelt werden], sie [ist] eben besonders herauszustellen")[344] und

die Abweichung i.S.d. Nr. 1 im Vertrag "ausdrücklich" (Schriftform ist nicht erforderlich, ausgeschlossen ist damit jedoch eine konkludente Vereinbarung) und ­"gesondert"[345] (i.S.e. Hervorhebung der Abweichung, "damit der Verbraucher sie bewusst in seine Kaufentscheidung einbezieht",[346] womit objektive Beschaffenheitsvereinbarungen nicht neben die vielen anderen Vereinbarungen in einem Formularvertrag oder in separate Allgemeine Geschäftsbedingungen eingestellt werden dürfen, "die Vertragsunterlagen müssen vielmehr so gestaltet sein, dass dem Verbraucher bei Abgabe seiner Vertragserklärung bewusst wird, dass er eine Kaufsache erwirbt, die von den objektiven Anforderungen an die Vertragsgemäßheit abweicht oder abweichen kann". Weshalb es im Online-Handel unzureichend ist, ein schon vor­angekreuztes Kästchen vorzusehen mit der Möglichkeit einer Deaktivierung durch den Verbraucher; zulässig soll jedoch im Online-Handel eine ausdrückliche und gesonderte Herbeiführung der Verbrauchererklärung sein, indem der Unternehmer "auf seiner Webseite ein Kästchen oder eine Schaltfläche vorsieht, das die Verbraucher anklicken oder auf andere Weise betätigen können" [muss][347] – sog. opt-in-­Lösung),[348] womit Konkludenz ausscheidet, vereinbart wurde (Nr. 2).[349]

Nr. 2 will sowohl konkludente Erklärungen als auch solche in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausschließen, wobei jedoch "eine separate Urkunde (…) im Einklang mit § 309 Nr. 11 BGB nicht vonnöten sein (dürfte)".[350]

 

Beachte

Da die WKRL keinen sonstigen Haftungsausschließungsgrund mehr anerkennt (wie früher bspw. in § 442 Abs. 1 BGB: Mangelkenntnis oder fahrlässige Mangelunkenntnis) erfolgt in § 475 Abs. 3 Satz 2 BGB eine Folgeänderung (Ergänzung):[351] Danach findet jetzt (außer den §§ 445 und 447 Abs. 2 BGB) auch § 442 BGB auf den Verbrauchsgüterkauf keine Anwendung mehr.

[335] Wilke, VuR 2021, 283, 285 und 289.
[336] Näher HK-BGB/Saenger, § 476 Rn 3.
[337] Vorstehende Fn 173; Wobei dort aber in der englischen bzw. französischen Sprachversion die Begrifflichkeiten "specifically" bzw. "spécifiquement" Verwendung finden, weswegen statt des ungewöhnlichen Begriffs "eigens" ein bloßes "besonders" in Nr. 1 ausgereicht hätte: Wilke, VuR 2021, 283, 285.
[338] Wilke, VuR 2021, 283, 285 Fn 28: "Soweit ersichtlich kommt der Begriff ansonsten allein in § 632a Abs. 1 S. 6 BGB vor, bezieht sich dort aber auf die Anfertigung von Stoffen und Bauteilen".
[339] Wilke, VuR 2021, 283, 285.
[340] RegE, BT-Drucks 19/27424, S. 42.
[341] Wilke, VuR 2021, 283, 285: "Die Abweichung bloß als Teil der Produktbeschreibung aufzuführen, genügt nicht".
[342] Näher HK-BGB/Saenger, § 476 Rn 4.
[343] Lorenz, NJW 2021, 2065, 2073.
[344] Wilke, VuR 2021, 283, 285.
[345] Vgl. die Anlehnung an § 309 Nr. 11 Buchst. a BGB.
[346] RegE, BT-Drucks 19/27424, S. 42.
[347] RegE, BT-Drucks 19/27424, S. 42.
[348] Dazu ...

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