Rz. 17

Der Anteil am Nachlass wird durch die Erbquote bestimmt, mit der ein Miterbe am Nachlass beteiligt ist. Über diesen Anteil kann der Miterbe verfügen, so lange auch nur noch ein einziger Nachlassgegenstand vorhanden und die Erbengemeinschaft noch nicht auseinandergesetzt ist.[22] Als Minus zur Verfügung über den gesamten Anteil kann der Erbe auch über einen Bruchteil seines Miterbenanteils verfügen.[23] Einzelne Gegenstände oder Rechte können nicht von der Verfügung ausgenommen werden.[24]

 

Rz. 18

"Verfügung" i.S.v. § 2040 BGB entspricht dem allgemeinen Verfügungsbegriff.[25] Verfügung ist demnach ein Rechtsgeschäft, das unmittelbar darauf gerichtet ist, auf das Recht am Miterbenanteil einzuwirken, es also entweder auf einen Dritten zu übertragen, mit einem Recht zu belasten, das Recht aufzuheben oder es sonst wie in seinem Inhalt zu verändern.[26] Unter Verfügung i.S.v. § 2033 Abs. 1 BGB ist mithin nur das dingliche Rechtsgeschäft, nicht die (bloße) schuldrechtliche Verpflichtung zur Übertragung zu verstehen, da jene noch nicht unmittelbar auf das Recht am Miterbenanteil einwirkt. Auch die Zwangsvollstreckung gem. §§ 859 Abs. 2, 857 ZPO ist Verfügung i.S.v. § 2033 BGB, so dass der Nachlassanteil, nicht hingegen der Anteil an einzelnen Nachlassgegenständen gepfändet werden kann.[27]

 

Rz. 19

Die Verfügung über einen Erbteil muss gem. § 2033 Abs. 1 S. 2 BGB notariell beurkundet werden, § 128 BGB, § 20 BNotO. Ein Verstoß gegen das Erfordernis der notariellen Beurkundung führt gem. § 125 S. 1 BGB zur Nichtigkeit des Verfügungsvertrages. Durch Vollziehung der Übertragung wird ein Mangel in der Form nicht geheilt. Das Gesetz sieht eine Heilung nicht vor (anders z.B. bei Grundstücken, § 311b Abs. 1 S. 2 BGB) und der BGH hat eine Analogie abgelehnt, da die gesetzlichen Heilungsmöglichkeiten stets durch besondere Fallgestaltungen bedingt sind.[28]

 

Rz. 20

Über einen Anteil am Nachlassgegenstand kann ein Miterbe allein nicht verfügen. Möglich ist aber die einvernehmliche Verfügung aller Miterben über den gesamten Nachlassgegenstand oder Teile hiervon, § 2040 Abs. 1 BGB (siehe unten Rdn 38). Jedes dingliche Rechtsgeschäft ist "Verfügung", da es ohne Weiteres auf das Recht am Nachlassgegenstand einwirkt. Die (bloße) schuldrechtliche Verpflichtung ist keine Verfügung, da jene noch nicht unmittelbar auf das Recht am Nachlassgegenstand einwirkt. Es gibt jedoch auch im Bereich des Schuldrechts Erklärungen, die unmittelbar ein Schuldverhältnis umgestalten und daher Verfügungen sind. Zum Beispiel sind

Erlass (§ 397 BGB)
Abtretung (§ 398 ff. BGB)
befreiende Schuldübernahme (§§ 414 ff. BGB)[29] und
Vertragsübernahme[30]

Verfügungen i.S.v. § 2033 Abs. 2 BGB.

Gestaltungserklärungen wie

Anfechtung (§§ 119 ff. BGB)[31]
Rücktritt (§ 349 BGB)
Aufrechnung (§ 388 BGB) und
Kündigung[32]

wirken auch unmittelbar auf ein Recht am Nachlassgegenstand ein und sind daher ebenfalls Verfügungen.[33]

 

Rz. 21

Unwirksam ist mithin ebenfalls die Verfügung eines Miterben über seinen Anteil an einem Nachlassgrundstück sowie die Belastung mit einer Hypothek oder Grundschuld.[34] Grundsätzlich gilt dieses Verfügungsverbot auch, wenn lediglich noch ein Nachlassgegenstand vorhanden ist. Dann ist jedoch § 140 BGB (Umdeutung) zu beachten (siehe unten Rdn 27). Wegen des Gläubigerschutzes kann ein Miterbe auch nicht über seinen Anspruch auf das künftige Auseinandersetzungsguthaben verfügen (zur Möglichkeit der Umdeutung einer Pfändung siehe § 9 Rdn 55).

Möglich ist die vermächtnisweise Zuwendung eines Nießbrauchs an einem Miterbenanteil.[35] Gehört in diesem Fall ein Grundstück zum Miterbenanteil, ist die Eintragung eines Nießbrauchvermerks im Grundbuch möglich, obwohl sich der Nießbrauch lediglich auf die gesamthänderische Beteiligung an der Erbengemeinschaft und nicht auf einzelne Nachlassgegenstände bezieht.[36]

[22] BGH, Urt. v. 14.10.1968 – III ZR 73/66, NJW 1969, 92.
[23] BayObLG, Beschl. v. 20.3.1991 – BReg 2 Z 169/90, NJW-RR 1991, 1030, 1031; BGH, Urt. v. 28.6.1963 – V 15/62 ZR, NJW 1963, 1610, LS 1 und 1611.
[24] Lange/Kuchinke, § 44 II 3 Fn 79.
[25] BGH, Urt. v. 28.4.2006 – LwZR 10/05, Rn 9, juris.
[27] BGH, Urt. v. 26.10.1966 – VIII ZR 283/64, NJW 1967, 200, 201; BGH, Urt. v. 12.5.1969 – VIII ZR 86/67, NJW 1969, 1347, 1348 (im Einzelnen zur Zwangsvollstreckung siehe § 9 Rdn 45).
[28] BGH, Urt. v. 2.2.1967 – III ZR 193/64, NJW 1967, 1128, 1130 f.
[29] Palandt/Ellenberger, Überblick vor § 104 Rn 16.
[30] Palandt/Grüneberg, § 398 Rn 41 ff.
[31] Nicht hingegen die Anfechtung nach dem AnfG.
[32] BGH, Urt. v. 28.4.2006 – LwZR 10/05, Rn 9, juris für die Kündigung eines Pachtvertrages – entgegen BGH, Beschl. v. 30.1.1951 – V BLw 36/50, NJW 1952, 1111.
[33] Palandt/Ellenberger, Überblick vor § 104 Rn 17.
[34] RG, Urt. v. 12.1.1916 – V 262/15, RGZ 88, 21, 26.
[35] Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urt. v. 19.8.2015 – 2 U 16/13, LS 1, Rn 46, Rn 82, juris (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen: ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge