Rz. 108

Nach § 745 BGB wird die Verwaltung und Benutzung von Nachlassgegenständen durch Beschluss der Erbengemeinschaft geregelt. Bei der Abstimmung ist jeder Miterbe stimmberechtigt. Für minderjährige, abwesende oder sonst an der Stimmabgabe verhinderte Erben bedarf es keines Pflegers, Vertreters u.Ä., wenn auch ohne diese Erben eine Mehrheit zustande kommt (zur Stimmabgabe Minderjähriger siehe im Einzelnen § 12 Rdn 2 ff.).[252]

 

Rz. 109

Bei Interessenwiderstreit in eigenen Angelegenheiten hat der Miterbe kein Stimmrecht,[253] bspw. wenn es um Ansprüche gem. § 666 BGB gegen einen Miterben oder um die Entscheidung über die Entnahme von Aktien zum Zweck der Begleichung einer Forderung des Miterben[254] geht. Ebenfalls von der Abstimmung ausgeschlossen ist nach einer Entscheidung des BGH aus dem Jahre 2007 ein Miterbe, wenn ihm selbst der Vorwurf nicht ordnungsgemäßer Verwaltung gemacht wird.[255] In diesem Fall hatte die Erbengemeinschaft zunächst einstimmig der Beklagten Vollmachten, u.a. Bankvollmacht, erteilt. Die Mehrheit der Erbengemeinschaft – ohne Berücksichtigung der Vollmachtsinhaberin – hat diese Vollmachten dann widerrufen, was der BGH für wirksam hält. Der BGH stellt maßgebend darauf ab, dass im Widerrufsschreiben die Ordnungsmäßigkeit der Verwaltung durch die Beklagte in Frage gestellt worden war. Hierdurch sei sie von der Abstimmung ausgeschlossen, weil sie nicht "in eigener Sache richten könne".[256]

 

Rz. 110

Allerdings führt nicht jede Interessenkollision zum Verlust des Stimmrechts: So ist der Gesellschafter einer GmbH nicht vom Stimmrecht ausgeschlossen, wenn er zugleich Mitglied einer Erbengemeinschaft ist, die über den Abschluss eines Geschäftes mit der GmbH abstimmt.[257]

 

Rz. 111

§ 745 Abs. 1 BGB ergänzt die Regelung des § 2038 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB. Erst aufgrund dieser Verweisung ergibt sich das Prinzip der Entscheidung durch Mehrheitsbeschluss bei ordnungsmäßigen Verwaltungsmaßnahmen. Aus § 745 Abs. 1 S. 2 BGB ergibt sich, dass es nicht auf eine Mehrheit nach Köpfen ankommt, sondern auf die Höhe der Erbquote an der Gemeinschaft: Auf die "Werthaltigkeit" der Erbquote kommt es nicht an. Stimmberechtigt bleibt daher auch der Miterbe, der aufgrund von Vorempfängen oder Schadensersatzansprüchen bei der Auseinandersetzung nichts mehr zu erwarten hat.[258] In Betracht kommt hier aber eventuell eine rechtsmissbräuchliche Stimmausübung, falls der Miterbe den Interessen der Erbengemeinschaft grob zuwider handelt.[259]

 

Rz. 112

Bei Erben, die zu je 1/2-Anteil an der Erbengemeinschaft beteiligt sind, gibt es keine Mehrheit. Wenn ein Erbe einen Anteil von mehr als 50 % an der Erbengemeinschaft hat, beherrscht er vorbehaltlich des Rechtsmissbrauchs die Erbengemeinschaft.[260] Die Minderheit in der Erbengemeinschaft wird durch das Recht geschützt, jederzeit die Auseinandersetzung zu verlangen, § 2042 BGB.[261] Der überstimmte Miterbe kann Feststellungsklage erheben, wenn er der Auffassung ist, dass kein Fall der ordnungsmäßigen Verwaltung vorliegt. Den Vollzug des Mehrheitsbeschlusses kann er ggf. durch eine einstweilige Verfügung blockieren.[262] Jeder Miterbe ist vor der Beschlussfassung anzuhören, insbesondere die Minderheiten. Ein Verstoß hiergegen führt zwar nicht zur Unwirksamkeit des Beschlusses, begründet aber möglicherweise Schadensersatzansprüche.[263] Für die Beschlussfassung selbst gibt es keine Form- oder Verfahrensvorschriften. Sie kann daher formlos oder auch im schriftlichen Umlaufverfahren erfolgen.[264]

 

Rz. 113

In den nachfolgenden Fällen reicht mehrheitliches Handeln nicht aus, sondern es ist einstimmiges Handeln der Miterben erforderlich:

eine für die Miterben einschneidende Veränderung der Gestaltung oder Zweckbestimmung ("wesentliche Veränderung", § 745 Abs. 3 BGB, siehe hierzu oben Rdn 73)
Einschränkung des Rechtes auf Nutzungen des einzelnen Miterben entsprechend seinem Erbteil am Nachlass, § 745 Abs. 3 S. 2 BGB
Verteilung der Früchte vor der Auseinandersetzung (siehe oben Rdn 86)
von den Erbquoten abweichende Verteilung der Früchte, § 745 Abs. 3 S. 2 BGB.
[252] Staudinger/Löhnig, § 2038 Rn 27.
[253] BGH, Urt. v. 29.3.1971 – III ZR 255/68, BGHZ 56, 47, 53 = NJW 1971, 1265; OLG Nürnberg, Urt. v. 19.5.2000 – 6 U 4052/99, ZErb 2001, 148, 150; Staudinger/Löhnig, § 2038 Rn 31; ausführlich hierzu Löhnig, FamRZ 2007, 1600.
[254] BGH, Urt. v. 14.2.1973 – IV ZR 90 und 94/71, WM 1973, 360, 361.
[258] MüKo/Gergen § 2038 Rn 35.
[259] MüKo/Gergen, § 2038 Rn 35.
[261] Lange/Kuchinke, § 43 II 2d.
[263] BGH, Urt. v. 29.3.1971 – III ZR 255/68, BGHZ 56, 47, 56; zweifelnd MüKo/K. Schmidt, § 745 Rn 19, beck-online.
[264] Palandt/Sprau, § 745 Rn 1.

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