Rz. 2

Die Willensbildung innerhalb der Miterbengemeinschaft geschieht durch Abstimmung. Maßgeblich für die Mehrheitsbildung ist nicht die Zahl der Miterben; die Stimmenmehrheit ist gem. §§ 2038 Abs. 2 S. 1, 745 Abs. 1 S. 2 BGB nach der Größe der Erbteile zu berechnen. Der Minderjährige wird bei der Abstimmung von seinem gesetzlichen Vertreter vertreten (§ 1629 BGB).

 

Beispiel

Drei Minderjährige sind Miterben nach ihrem Großvater. Zum Nachlass gehört ein großes Mietshaus. Der Großvater hat die Auseinandersetzung des Nachlasses hinsichtlich des Hauses bis zum Erreichen der Volljährigkeit des letzten Enkels untersagt. Nun steht die Frage an, ob ein Neuanstrich des Hauses vonnöten ist. Die Eltern eines Enkels sind dafür; die des anderen dagegen. Die Eltern des dritten Enkels sind geschieden, ohne dass einem Elternteil gemäß § 1671 BGB die elterliche Sorge allein übertragen worden wäre.

Würde nun die Mutter des dritten Enkels – sie ist die Tochter des Erblassers – allein über die Frage der Renovierung in der Erbengemeinschaft abstimmen, wäre eventuell ein auf solcher Abstimmung beruhender Beschluss der Erbengemeinschaft unwirksam oder gar nichtig. Das Kind wird auch in der Erbengemeinschaft von beiden Elternteilen vertreten,[2] so dass der Vater des Enkels, der Ex-Ehemann der Mutter, zugleich mit seiner Ex-Frau abstimmen muss. Natürlich kann er sich vertreten lassen (§§ 164 ff. BGB).

Die geschiedenen Eheleute sind uneinig: Nun kann nicht ein Elternteil für die Renovierung abstimmen, der andere dagegen. Das Stimmrecht des Enkels beläuft sich auf ⅓ und nicht auf 2 mal 1/6. Die Eltern müssen sich also einigen, wie sie gemeinsam für ihr Kind abstimmen.

Sie müssen notfalls das Familiengericht anrufen, das das Entscheidungs- und Vertretungsrecht über die Frage der Renovierung einem Elternteil überträgt (§ 1628 BGB).[3]

 

Rz. 3

Die Problematik unterschiedlicher Meinungen der beiden Elternteile tritt – wie im Beispiel – vor allem bei getrennt lebenden oder geschiedenen Eltern auf. Der Erblasser – aber auch ein Schenkender –, der einem Minderjährigen etwas zuwendet, wäre gut beraten gewesen, wenn er in der Verfügung von Todes wegen – oder bei der Schenkung – § 1638 BGB angewandt hätte.

 

Beispiel

Es gibt fünf Enkel: zwei davon stammen jeweils von einem Sohn des Erblassers ab. Die anderen drei minderjährigen Enkel sind die Kinder der Tochter des Erblassers aus deren ersten, zweiten und dritten Ehe. In der Erbenversammlung werden die drei letztgenannten Kinder jeweils von der Mutter nebst dem ersten Ex-Ehemann, dem zweiten Ex-Ehemann und dem dritten Ehemann vertreten.

 

Rz. 4

Der Erblasser hätte nach § 1638 Abs. 3 BGB bestimmen sollen, dass alle Enkel nur von seinen Kindern vertreten werden. Er hätte nach § 1638 Abs. 1 BGB die Vertretung auch beiden Eltern entziehen und sie einem Vermögenspfleger gem. § 1909 Abs. 1 S. 2 BGB übertragen können.

 

Rz. 5

Können die Eltern für mehrere Kinder und zugleich auch noch für sich selbst abstimmen? Inwieweit steht dem § 181 BGB, das Verbot des In-sich-Geschäfts und das Verbot der Mehrfachvertretung, entgegen?

 

Beispiel

Der Großvater hat sein Vermögen, das im Wesentlichen aus Mietshäusern besteht, auf seine zwei Kinder zu je ¼ und (mit auf Rücksicht auf die Erbschaftsteuer und die Freibeträge) auf seine vier minderjährigen Enkel – je zwei von jedem Kind abstammend – zu je 1//8 vererbt. Nun sitzen die beiden Kinder des Erblassers in der Versammlung der Erben; zugleich nehmen diese und ihre Ehegatten als gesetzliche Vertreter der Enkel an der Abstimmung teil.

 

Rz. 6

Sind Elternteile selbst auch Miterben, steht ihrer Stimmabgabe für sich und zugleich auch für ihre minderjährigen Kinder § 181 BGB grundsätzlich nicht entgegen; die Rechtsprechung zur Personengesellschaft, wonach §§ 181, 1795 BGB bei Beschlussfassungen in der Gesellschafterversammlung hinsichtlich laufender Geschäfte in der Regel nicht anwendbar sind, wird hier sinngemäß herangezogen.[4]

Dabei ist unerheblich, dass jeder Enkel ja nicht nur durch den Elternteil, der Miterbe ist, z.B. den Vater, vertreten wird, sondern auch durch den anderen Elternteil, im Bsp. die Mutter. Wäre ein Elternteil von der Vertretung ausgeschlossen, wäre dies auch der andere nach dem Prinzip der Gesamtvertretung.[5]

Man begründet die Nicht-Anwendung von § 181 BGB bei der Abstimmung durch Eltern als gesetzliche Vertreter ihrer Kinder vielmehr mit einer teleologischen Reduktion des Wortlautes der Vorschrift: Diese soll nur bei einem Interessengegensatz eingreifen. Solcher Gegensatz fehle aber bei laufenden Angelegenheiten der Verwaltung innerhalb einer bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft, da alle Beteiligten – trotz unterschiedlicher Auffassungen über das zweckmäßige und richtige Vorgehen bei einer Maßnahme der ordentlichen Verwaltung – nur das Wohl der Gesellschaft verfolgen. Diese Rechtsprechung wird auf die Miterbengemeinschaft übertragen. Die unterschiedlichen Meinungen der Miterben über die umstrittene Maßnahme der Verwaltung, die natürlich dem Wohl der Gemeinschaft dienl...

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