Rz. 68

Die Anknüpfungsregeln in Art. 27 Abs. 1 EuErbVO bzw. in Art. 1 des Haager Testamentsformübereinkommens für alle "Verfügungen von Todes wegen" (siehe Rdn 12) gelten gem. Art. 3 Abs. 1 lit. d EuErbVO bzw. Art. 4 des Haager Übereinkommens auch für die Formwirksamkeit gemeinschaftlicher Testamente. Soweit dabei auf die Person des Erblassers abgestellt wird (gewöhnlicher Aufenthalt, Staatsangehörigkeit, Wohnsitz), sind die Voraussetzungen für jeden Erblasser für die von ihm getroffenen Verfügungen gesondert festzustellen. Insoweit kann also die Formwirksamkeit sich für die Beteiligten unterschiedlich beurteilen:

 

Beispiel:

Lebt z.B. ein Deutscher mit seiner österreichischen Ehefrau in Graz und errichten diese dort ein gemeinschaftliches Testament, so könnte allein der Ehemann das Formprivileg des § 2267 BGB nutzen, indem er die Verfügung von seiner Ehefrau schreiben lässt und eigenhändig allein die Unterschrift zufügt. Die Ehefrau dagegen hat – mangels Verwirklichung einer Anknüpfung zum deutschen Recht – entsprechend den Regeln des österreichischen Erbrechts bei holographer Errichtung des Testaments den Text, soweit er die Erbfolge nach ihrem Tod betrifft, vollständig mit eigener Hand niederzulegen.

 

Rz. 69

Dabei muss das Formstatut weder für beide Testatoren anhand desselben Anknüpfungsmoments bestimmt werden noch muss sich die Formwirksamkeit für beide aus demselben Recht ergeben.[50]

 

Rz. 70

Etwas anderes würde sich allerdings auch hier ergeben, wenn man das gemeinschaftliche Testament als "Erbvertrag" i.S.d. EuErbVO qualifiziert. In diesem Fall genügt es bei der Anknüpfung an die personenbezogenen Anknüpfungsmomente in Art. 27 Abs. 1 lit. b, c und d EuErbVO, dass das entsprechende Anknüpfungsmoment von einer (einzigen) der Personen, deren Rechtsnachfolge von Todes wegen von dem gemeinschaftlichen Testament betroffen ist, entweder im Zeitpunkt der Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments oder im Zeitpunkt des Todes verwirklich wird. Dann könnte sich im Beispielsfall also auch die österreichische Ehefrau aufgrund der deutschen Staatsangehörigkeit des Ehemannes auf das Formprivileg des § 2267 BGB berufen – obwohl sie selber keine der in Art. 27 Abs. 1 EuErbVO genannten Beziehungen zum deutschen Recht hat.

[50] Vgl. MüKo-BGB/Dutta, Art. 4 HTestformÜ Rn 5; Staudinger/Dörner, Vorbem. Art. 25 f. EGBGB Rn 78.

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