Rz. 318

Da die künftigen finanziellen Überschüsse aufgrund der Ungewissheit der Zukunft nicht mit Sicherheit prognostiziert werden können, und ein unternehmerisches Engagement stets mit Risiken und Chancen verbunden ist, lassen sich Marktteilnehmer die Übernahme dieser unternehmerischen Unsicherheit durch Risikoprämien abgelten.[506] Dabei gehen Theorie und Praxis übereinstimmend davon aus, dass die Wirtschaftssubjekte künftige Risiken stärker gewichten als zukünftige Chancen (Risikoaversion).[507]

 

Rz. 319

Bereits der IDW i.d.F. 2000 fordert die Ableitung des Risikozuschlags auf der Basis von Kapitalmarktdaten unter Anwendung des Capital Asset Pricing Model (CAPM) aus der Marktrisikoprämie und dem Betafaktor.[508]

 

Rz. 320

Davor ist der Risikozuschlag überwiegend im Rahmen des gutachterlichen Ermessens geschätzt worden.[509] Die von der Rechtsprechung anerkannten Risikozuschläge lagen dabei in einer Größenordnung von etwa 2 %-Punkten,[510] wobei die jüngere Rechtsprechung auch Marktrisikoprämien von 5 bis 6 % annimmt.[511]

 

Rz. 321

Die überwiegende OLG–Rechtsprechung hält allerdings in Abweichung zu der Empfehlung des IDW, wonach eine marktorientierte Ermittlung des Risikozuschlages unter Anwendung des CAPM zu erfolgen hat, an seiner Auffassung fest, dass eine eindeutige Festlegung der Marktrisikoprämie auch nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft empirisch nicht möglich ist und deshalb eine Schätzung gemäß § 287 Abs. 2 ZPO vorzunehmen ist.[512]

 

Rz. 322

Der Arbeitskreis Unternehmensbewertung (AKU) des IDW hat für die Marktrisikoprämie unter Geltung des Halbeinkünfteverfahrens, d.h. vor der Einführung der Abgeltungssteuer im Jahr 2009, einen Wert zwischen 5 bis 6 % nach Steuern empfohlen.[513] Seit Einführung der Abgeltungssteuer 2009 empfahl das IDW erst eine Marktrisikoprämie nach Steuern von 4,5 %[514] und dann ab Januar 2012 erst 5,0 % und dann ab September 2012 sogar 5,5 % (www.idw.de – aktuelle Empfehlungen des IDW zur Marktrisikoprämie).

 

Rz. 323

Die Marktrisikoprämie wird mit dem Betafaktor, der als Maß für das unternehmensindividuelle Risiko die Schwankungsbreite des Kurses einer Aktie oder Branche im Verhältnis zum Gesamtmarkt angibt, multipliziert.[515] Wenn für die Ermittlung des Betafaktor auf eine "Peer-Group" zurückgegriffen wird, muss zusätzlich durch den Bewerter eine Einschätzung vorgenommen werden, welche Unternehmen vergleichbar sind, wobei Betafaktor 1 gleiches Risiko wie in Peer-Group bedeutet und höherer Faktor als 1 gleich höheres Risiko.[516]"

 

Rz. 324

Wird statt der Ermittlung auf der Basis des CAPM eine pauschale Schätzung des Risikozuschlags vorgenommen, kann der in § 203 Abs. 1 BewG vom Gesetzgeber festgelegte Zuschlag von 4,5 % zum Basiszinssatz einen Anhaltspunkt bieten. § 203 Abs. 1 BewG legt für das vereinfachte Ertragswertverfahren fest, dass sich der anzuwendende Kapitalisierungszinssatz aus einem aus Zinsstrukturdaten abzuleitenden Basiszins und einem Zuschlag von 4,5 % zusammensetzt. Auch wenn diese Vorschrift nur im vereinfachten Ertragswertverfahren zur Anwendung kommt, kann die darin zum Ausdruck gebrachte Wertung des Gesetzgebers nicht völlig unberücksichtigt bleiben, der für dieses vereinfachte Bewertungsverfahren einen solchen Zuschlag für die Wertermittlung im Regelfall als geeignet erachtet hat. Liegt nach Einschätzung des Bewerters das unternehmensspezifische Risiko deutlich höher als das des Gesamtmarktes, ist der Zuschlag von 4,5 % zu erhöhen.

 

Rz. 325

Das IDW sieht ferner für die Unternehmensbewertung die Berücksichtigung persönlicher Steuern vor, so dass sowohl die zu kapitalisierenden Erträge als auch der Kapitalisierungszinsfuß um die entsprechenden Steuern zu kürzen sind (siehe oben Rn 267).

[506] IDW S1, Rn 88.
[507] IDW S1, Rn. 88.
[508] Dörschell/Franken/Schulte, Der Kapitalisierungszinssatz in der Unternehmensbewertung, S. 314.
[509] Dörschell/Franken/Schulte, Der Kapitalisierungszinssatz in der Unternehmensbewertung, S. 314.
[510] Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, S. 1009; Dörschell/Franken/Schulte, Der Kapitalisierungszinssatz in der Unternehmensbewertung, S. 314.
[511] Ballwieser, Unternehmensbewertung, S. 123 ff.; BGH,21.7.2003 – II ZB 17/01, NJW 2003, 3272:3 %; OLG Stuttgart v. 14.2.2008 – 20 W 9/06, AG 2008, 788: 4,5 %; OLG Düsseldorf v. 20.10.2005 – I-19 W 11/04 AktE, AG 2006, 287:5 %.
[513] AKU, FN – IDW 2005, 79, 71.
[514] Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, S. 380; Behringer, Unternehmensbewertung, S. 115.
[515] Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, S. 376 ff.
[516] OLG Celle v. 19.4.2007 – 9 W 53/06, AG 2007, 865; Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, S. 376 ff.

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